Bürgerbeteiligung und politische Teilhabe in der Kommune

Politische Partizipation ist die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft. Demokratie lebt von Beteiligung. Und Beteiligung bedeutet weit mehr als Wahlen. Es gibt viele Formen und Verfahren von Beteiligung – darüber und über deren Umfang wird debattiert. In der Kommune sind Bürgerinnen und Bürger erwünscht, die die Tätigkeit des Stadtoberhaupts und die Entscheidungen des Gemeinderats kritisch begleiten. Politik in der Gemeinde ist für die Menschen vor Ort durchaus zu überschauen und bietet deshalb viele Beteiligungsmöglichkeiten und Gestaltungsräume.

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Einfach erklärt: Politische Teilhabe in der Gemeinde

Die „Politik vor der Haustür“ hat oft direkte Auswirkungen auf die persönliche
Lebenssituation. In den Kommunen in Baden-Württemberg haben Bürger vielfältige
Möglichkeiten für die Mitgestaltung und politische Teilhabe in ihrer Gemeinde:

  • Wahlen der Bürgermeister:innen und Oberbürgermeister:innen
  • Beteiligung von Jugendlichen und Kindern
  • Gemeinderatswahlen
  • Bürgerinitiativen
  • Bürgerversammlung, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
  • Bürgerbeteiligung und Bürgerdialog

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Was ist Bürgerbeteiligung?

Demokratie lebt von der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. „Fridays for Future“, die Proteste gegen Stuttgart 21 oder vor einigen Jahren die Occupy-Bewegung: Alle diese Beispiele machen deutlich, dass das Interesse an Politik groß ist und die Menschen sie nicht den Politikern alleine überlassen wollen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich direkt an der Politik beteiligen, sie selbst gestalten, sich persönlich engagieren. Sie fordern mehr Beteiligung. Doch was ist unter „Beteiligung“ eigentlich zu verstehen?

Für demokratische Beteiligung gibt es viele Begriffe, zum Beispiel politische Mitwirkung oder Partizipation. Diese Seite verwendet den Begriff Beteiligung. 

Beteiligung

Der Begriff „Bürgerbeteiligung“ bezeichnet die freiwillige und unentgeltliche Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen und die Möglichkeit, auf Sachentscheidungen Einfluss zu nehmen.
 

Für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern unterscheidet die OECD drei Stufen staatlicher Entscheidungsfindung:

  • Information über anstehende Entscheidungen und deren Grundlagen;
  • Beratung anstehender Entscheidungen mit Bürgerinnen und Bürgern;
  • Mitentscheidung der Bürgerinnen und Bürger.
     

Drei inhaltliche Bereiche der politischen Beteiligung an der Demokratie lassen sich unterscheiden:

  • Mitbestimmung an repräsentativen Strukturen (z. B. Wahlen),
  • Mitbestimmung an direkten Sachfragen (z. B. Volksentscheid),
  • partizipative Formen der Beteiligung (z. B. Bürgerdialoge) .
     

Darüber hinaus gibt es zwei Formen oder Arten der Beteiligung:

  • Formal: Darunter fallen gesetzlich geregelte Verfahren der direkten Demokratie (z. B. Wahlen, Bürgerbegehren und Volksentscheide).
  • Informell: Damit sind dialogorientierte, beratende und freiere Verfahren gemeint, bei denen sich Bürgerinnen und Bürger zur Meinungsbildung oder Entscheidungsfindung zusammenfinden.

Die repräsentative Demokratie kann und soll nicht durch Verfahren der Bürgerbeteiligung ersetzt werden. Beteiligung ergänzt unsere repräsentative Demokratie vielmehr konstruktiv und fördert das demokratische Bewusstsein.

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Die Macht der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg

Bürgerinnen und Bürger stehen in der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg der Anordnung nach vor Gemeinderat und Bürgermeister. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Institutionen für die Bürgerschaft da sind. Sie können sich nur legitimieren unter Berufung auf den Auftrag der Bürgerschaft und auf die Leistungen, die sie für die Bürgerschaft erbringen.

Die Wahl ist die wichtigste Form der politischen Beteiligung im Rahmen der repräsentativen Demokratie. Die Menschen in Baden-Württemberg haben in kommunalpolitischen Angelegenheiten bedeutenden Einfluss, denn

  • sie entscheiden unmittelbar, wer Bürgermeister wird (Plebiszit);
  • sie haben mittels Panaschieren und Kumulieren einen stärkeren Einfluss darauf, wer in den Gemeinderat kommt.

Traditionell ausgeprägt sind in Baden-Württemberg auf kommunaler Ebene außerdem die Elemente direkter Demokratie. Ein bestimmtes Quorum der Einwohnerschaft kann etwa eine Einwohnerversammlung erzwingen. 

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Welche Formen der Beteiligung auf kommunaler Ebene gibt es?

Information, Beratung und Mitbestimmung: Dass Bürgerinnen und Bürger über aktuelle politische Vorhaben informiert werden, sollte der Mindeststandard sein. Diese Rolle des Informationsübermittlers übernehmen nicht nur die Medien, sondern auch die Gremien selbst, indem sie beispielsweise Protokolle, Dokumente oder Informationen zu Gesetzesvorhaben veröffentlichen. Tun sie dies nicht, kann die Bürgerschaft von ihrem Recht auf Informationsfreiheit Gebrauch machen. 

Es gibt verschiedene Informationsmöglichkeiten: Lokalzeitungen, Besuch von Gemeinderats-, Kreistags- und Ausschusssitzungen, Informationen durch die Gemeinde, Bürgerversammlungen und das Internet. 

Der Begriff Bürgerbeteiligung umfasst eine Vielzahl an Formen und Arten der politischen Beteiligung. Einige Kommunen haben Leitlinien, Handlungsempfehlungen oder andere Regelungen zur kommunalen Bürgerbeteiligung erstellt, zum Beispiel Stuttgart oder Mannheim.

Auf kommunaler Ebene kann man zwei Arten der Beteiligung unterscheiden: die formelle und informelle. Die Initiative kann dabei von der Einwohnerschaft oder der Vertretung kommunalpolitischer Gremien ausgehen.

Formelle Bürgerbeteiligung

Formelle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zeichnet sich dadurch aus, dass sie formell, also beispielsweise per Gesetz, geregelt ist. Zu der repräsentativen sowie der direkten Mitbestimmung zählen Wahlen und Abstimmungen, also Verfahren der direkten Demokratie wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Dabei können Bürgerinnen und Bürger auf eigene Initiative hin selbst über Themen abstimmen.

Einen Überblick über verschiedene Formate bietet unsere Seite Formelle Beteiligung.

Informelle Bürgerbeteiligung

Bei der informellen Beteiligung sollen Bürgerschaft und Entscheidungsträger frühzeitig im politischen Prozess ins Gespräch kommen und zu einer Entscheidung finden. Informelle Beteiligung kann in vielen Formaten geschehen, etwa mit Bürgerräten, Bürgergutachten oder Zukunftswerkstätten. Als informelle Beteiligungsverfahren werden solche Verfahren bezeichnet, die nicht vom Gesetz her festgeschrieben sind.

Einen Überblick über verschiedene Formate bietet unsere Seite Informelle Beteiligung.

Weitere Formen der politischen Beteiligung

Bürgerinitiativen 

Eine weitere Möglichkeit zur Mitgestaltung sind Bürgerinitiativen. Bürgerinitiativen sind zeitlich zumeist begrenzte, lockere Zusammenschlüsse von Bürgerinnen und Bürgern, die sich mit verschiedenen Aktionen gegen politische Maßnahmen, öffentliche Planungen und Unterlassungen, Missstände und befürchtete Fehlentwicklungen wehren.

Themen sind z. B. Kindergärten und Spielplätze, Verkehr und Straßenbau, Stadtentwicklung und -sanierung, Randgruppen oder kulturelle Themen sowie häufig Umweltthemen.

Baden-württembergische Bürgerinitiativen waren für die Bürgerinitiativen-Bewegung in Deutschland in gewisser Hinsicht richtungsweisend. So wurde die badisch-elsässische Bürgerinitiative gegen das geplante Kernkraftwerk in Wyhl 1975 zum Vorbild für zahlreiche spätere Großdemonstrationen.

Weitere Formen der politischen Beteiligung sind speziell Angebote für Kinder und Jugendliche sowie die digitale Beteiligung:

Kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung

Ein Sonderfall ist die in der Gemeindeordnung festgeschriebene Kinder- und Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg. Was bedeutet Kinder- und Jugendbeteiligung? Welche Formen von Kinder- und Jugendbeteiligung gibt es?

zur Seite: Kinder- und Jugendbeteiligung

Digitale Beteiligung: E-Partizipation

E-Partizipation ist der Überbegriff für digitale Verfahren, die es Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, an politischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen. E-Partizipation ist also die digitale Weiterentwicklung von klassischen Formen der Beteiligung. Wie funktioniert E-Partizipation?

zur Seite: Digitale Demokratie

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Glossar – die wichtigsten Begriffe auf einen Blick

Bürgerbegehren
Die Wahlberechtigten sammeln Unterschriften für ihr Anliegen und beantragen die Durchführung eines Bürgerentscheids.

Bürgerentscheid
In einem Bürgerentscheid können alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde nach den Grundsätzen der freien, gleichen und geheimen Wahl über eine zur Abstimmung gestellte wichtige Angelegenheit entscheiden.

Bürgerinitiative
Bürgerinitiativen sind Zusammenschlüsse von Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Sie beschränken sich meist auf ein Thema und sind unabhängig von Parteien.

Demonstration
Wenn sich Menschen zu einer öffentlichen Versammlung treffen und auf ihre Meinungen und Forderungen aufmerksam machen, handelt es sich um eine Demonstration. Alle Deutschen haben das grundsätzliche Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Versammlungen unter freiem Himmel müssen aber bei der Polizei angemeldet werden.

Direkte Demokratie
Eine Form der Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger selbst die politischen Entscheidungen fällen und dies nicht gewählten Vertretern überlassen. Beispiele für direkte Demokratie sind Bürgerentscheide und Bürgerabstimmungen.

Nichtregierungsorganisation
Eine nichtstaatliche Organisation, die gemeinsame Interessen verfolgt. Oft beschäftigen sich Nichtregierungsorganisationen mit umweltpolitischen oder sozialpolitischen Themen oder Menschenrechten. Alle können in einer Nichtregierungsorganisation mitmachen.

Partei
Eine Vereinigung von Menschen, die gemeinsame Interessen, Werte und politische Forderungen haben. Sie wollen in Wahlen gewinnen, um ihre politischen Ziele zu verwirklichen.

Politische Willensbildung
In einer Demokratie gibt es viele Möglichkeiten, sich zu informieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. Parteien, unterschiedliche Interessengruppen, Bürgerinitiativen und viele andere Organisationen vertreten ihre politischen Standpunkte in der Öffentlichkeit. So können sich die Menschen eine politische Meinung bilden.

Repräsentative Demokratie
Form der Demokratie, in der die Bürgerinnen und Bürger politische Entscheidungen nicht selbst treffen. Sie wählen Vertreterinnen und Vertreter, die stellvertretend für sie entscheiden.


Dieser Inhalt stammt aus dem Unterrichtsmaterial von „Mach's klar!“ zum Thema Bürgerbeteiligung (2011).

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Weitere Informationen

Wie gelingt Beteiligung?

Damit Beteiligungsverfahren ernst genommen werden und von den Menschen nicht nur als nachträgliche Legitimation von bereits gefällten Entscheidungen angesehen werden, müssen bei der Vorbereitung und Durchführung gewisse Qualitätsstandards gewahrt sein:

 

Checkliste Beteiligung

  1. Anschlussfähigkeit und Einbettung in das politisch-administrative System
    Wenn das Beteiligungsverfahren nicht in die politisch-administrativen Abläufe integriert wird, so können auch die Ergebnisse nicht umgesetzt werden und das Beteiligungsverfahren verliert seine Zweckmäßigkeit.
     
  2. Von Nutzen und Relevanz müssen die Bürgerschaft und die politischen Entscheidungsträger überzeugt sein. 
     
  3. Professionelle Durchführung, z. B. von geschultem Fachpersonal.
     
  4. Kommunikation mit allen Beteiligten auf Augenhöhe.
     
  5. Auswahl eines geeigneten Verfahrens
    Ist das Verfahren geeignet für die Thematik / für die Teilnehmendenanzahl / die Dauer / für die vorgegebenen Kontextbedingungen?
     
  6. Transparenz
    • Das Ziel muss klar benannt worden sein.
    • Die Rahmenbedingungen müssen klar sein: Welche Gestaltungsspielräume gibt es? Wo liegen die Grenzen der Mitwirkung? Wo liegt die Entscheidungshoheit letztendlich?
    • Es muss Klarheit über die verschiedenen Interessen bestehen.
    • Warum wurde gerade dieses Partizipationsverfahren bzw. diese Methode gewählt? Welche Eigenheiten hat es? Ist es für diesen Fall gut geeignet?
    • Informationen müssen frei und umstandslos für alle Teilnehmenden sowie Außenstehende zugänglich sein.
       
  7. Rollenverteilung
    Es muss Klarheit darüber herrschen, wer welche Rolle hat: Wer moderiert? Wer entscheidet? Wer berät? Wer leitet?
     
  8. Feedback
    Im Nachhinein muss mindestens den Teilnehmenden rückgemeldet werden, welche ihrer Entscheidungen/Forderungen berücksichtigt wurden, welche nicht und warum.

Es gibt also eine ganze Reihe von Punkten, die beachtet werden müssen, wenn das Beteiligungsverfahren ein Erfolg werden soll.

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Beteiligung fördern – Angebote der LpB BW

Abteilung 3: Demokratisches Engagement

Die Abteilung „Demokratisches Engagement“ will Bürgerinnen und Bürger zur politischen Teilhabe befähigen. Ziel aller Fachbereiche ist es, die Demokratie mit Leben zu erfüllen. Bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sind dabei grundlegende Voraussetzungen. Unsere Angebote und Programme wenden sich an diejenigen, die sich engagieren wollen. Andere sollen sie zum bürgerschaftlichen und freiwilligen Engagement motivieren.

zur Fachbereichsseite

Weitere Informationen der LpB:

  • Volksabstimmung zu Stuttgart 21
    Die zweite landesweite Volksabstimmung in der Geschichte Baden-Württembergs wurde am 27. November 2011 durchgeführt. Ziel der Volksabstimmung war ein abschließendes und befriedendes Votum zu S21.
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  • Volksabstimmung in Baden-Württemberg
    Die Möglichkeiten direkter Demokratie in Baden-Württemberg
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Autor: Internetredaktion LpB BW | Letzte Aktualisierung: Juli 2023.

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