Displaced Persons im deutschen Südwesten

Paul Düring

Bei der Suche nach einem Erinnerungsort für die Displaced Persons (DPs) in Baden-Württemberg wird rasch deutlich, dass die DPs in der öffentlichen Erinnerung des Landes kaum vorkommen. Die Suche nach einem Erinnerungsort für diese Opfergruppe des Nationalsozialismus ist mit mehreren Problemen behaftet: Zunächst waren die DPs ein Phänomen der unmittelbaren Nachkriegszeit, das in eine Phase fällt, in der das heutige Baden-Württemberg in drei Länder aufgeteilt war und sowohl unter amerikanischer als auch unter französischer Besatzung stand. Nicht nur die Lebensumstände der DPs, sondern auch wie mit ihnen politisch umgegangen wurde, war dadurch sehr unterschiedlich. Darüber hinaus handelt es sich bei den DPs um eine sehr heterogene Gruppe, über die sich schwer allgemeine Aussagen treffen lassen.

Was versteht man unter „Displaced Persons“?

Displaced Persons ist ein Sammelbegriff der Alliierten, der alle nichtdeutschen Menschen umfasst, die sich Ende des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden befanden. Dazu gehörten ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, befreite Häftlinge der Konzentrationslager, aber auch osteuropäische Menschen, die vor der sowjetischen Armee geflohen waren oder freiwillig in Deutschland arbeiteten. Diese vermeintliche Freiwilligkeit darf allerdings aufgrund der Natur des NS-Regimes und des herrschenden Krieges angezweifelt werden. Auch im heutigen Baden-Württemberg gab es während der NS-Zeit eine große Zahl an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, sowohl in der Wirtschaft, wo sie bei großen Unternehmen zeitweise die Hälfte der Belegschaft ausmachten, als auch in der Landwirtschaft oder in kirchlichen Einrichtungen. Zu diesen ursprünglichen Gruppen kamen nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch jüdische Menschen hinzu, die vor Pogromen in Osteuropa flohen und ebenfalls den DP-Status bekamen.
 
Die Alliierten gingen 1943 davon aus, dass nach dem Ende des Krieges mehrere Millionen Zwangsarbeiter und andere nichtdeutsche Zivilisten auf deutschem Boden versorgt werden müssten. Um diese Aufgabe zu übernehmen, wurde die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) gegründet, die die Erstversorgung und spätere Organisation der DPs übernahm. Die Gesamtzahl der DPs auf deutschem Staatsgebiet für 1945 liegt nach Schätzungen bei circa elf Millionen. Für das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg liegen keine genauen Zahlen vor. Die DPs stellen dabei eine enorm heterogene Gruppe dar, deren größte Gemeinsamkeit die Verfolgung und Ausbeutung durch das NS-Regime darstellt. Die Sammelbezeichnung Displaced Persons wird der immensen nationalen und sozialen Vielfalt der Gruppe daher nur bedingt gerecht.

Nach der Befreiung

Der gesundheitliche Zustand der DPs war nach der Befreiung durch die Alliierten recht unterschiedlich. Die in der Landwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiter waren in der Regel von besserer körperlicher Verfassung als Zwangsarbeiter in der Wirtschaft. Desaströs war vor allem die Lage derer, die eine Konzentrationslagerhaft überlebt hatten.

Auch die psychische Verfassung der DPs war aufgrund der jahrelangen unmenschlichen Behandlung äußerst schwierig. Teilweise entluden sich nach der Befreiung Aggressionen in Diebstahl- und Gewaltdelikten gegenüber Deutschen. Die Alliierten zeigten sich von diesem Verhalten der DPs schockiert, da sie von der Opfergruppe Dankbarkeit für die Befreiung und damit eine leicht zu kontrollierende Gruppe erwartet hatten. Um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, wurden Ausgangssperren für DPs verhängt und die rasch entstandenen DP-Lager eingezäunt. Damit setzte sich ein unfreiwilliges Lagerleben für die DPs auch nach der Befreiung fort.

Sammeln und Repartiieren

Die von den alliierten Streitkräften befreiten DPs wurden zunächst in Assembly Centers gesammelt. Als Räumlichkeiten wurden hier zum Großteil dieselben Lager genutzt, in denen die DPs in ihrer Existenz als Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge bereits zuvor gefangen gehalten worden waren. Diese Entscheidung war dem Pragmatismus geschuldet, eine solch große Zahl an Menschen irgendwie unterbringen zu müssen.

Wo neue Lager gebildet oder bestehende Lagergebäude genutzt wurden, kam es vor allem in Städten zur Beschlagnahmung von Wohnungen und Häusern von Deutschen zugunsten der DPs. Das Ziel der alliierten Streitkräfte und der UNRRA war es, die DPs so schnell wie möglich zu repatriieren, also wieder in ihre Heimatländer zurückzuführen. Als Kriterium für die Repatriierung galt hier die Staatsbürgerschaft zum 1. September 1939. Dazu wurden die Lager nach Nationalitäten getrennt, wobei zusätzlich eigene Lager für Jüdinnen und Juden eingerichtet wurden.

Die Repatriierung konnte vor allem für die westeuropäischen DPs recht rasch umgesetzt werden. Viele von ihnen warteten direkt nach Kriegsende erst gar nicht die Aufnahme durch die UNRRA ab, sondern machten sich selbst, teils zu Fuß, auf den Weg nach Hause. Durch diese sogenannten „wilden Repatriierungen“, aber auch durch organisierte Heimtransporte konnten die meisten Westeuropäer bereits im Laufe des Jahres 1945 wieder in ihrer Heimat zurückkehren. Während die Westalliierten grundsätzlich von einer freiwilligen Repatriierung ausgingen, setzte die Sowjetunion auf ein System der Zwangsrepatriierung. Dieses wurde notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt. So wurden beispielsweise sowjetische DPs aus Ulm in heimlichen Aktionen fortgeschafft. Die Westalliierten kooperierten dabei zunächst aufgrund der Abmachungen, die auf der Konferenz von Jalta getroffen wurden. Unter den sowjetischen DPs regte sich aber immer wieder Widerstand. Selbst mit Suiziddrohungen wurde versucht, sich der Zwangsrepatriierung zu entziehen. Vereinzelt kam es auch zu Selbstmorden. Damit konfrontiert, stellte das US-Militär in seiner Besatzungszone die Kooperation mit den sowjetischen Besatzern ein, während das französische Militär aufgrund einer Sondervereinbarung mit der UdSSR daran festhielt.

Die Gründe, sich der sowjetischen Zwangsrepatriierung zu entziehen, waren unterschiedlich. Trotz der allgemein gültigen Regelung, dass die Staatsbürgerschaft zum Stand 1. September 1939 ausschlaggebend für die Repatriierung sein sollte, zählte die Sowjetunion auch ihre nach 1939 besetzten Gebiete zum sowjetischen Staatsgebiet und beanspruchte die DPs aus diesen Gebieten. Dies bedeutete konkret für Menschen aus Ostpolen, dass sie sich zwischen einer Repatriierung in ihre Heimat, die nun sowjetisches Land und insofern fremd war, oder in einen Teil Polens, aus dem sie nicht stammten, entscheiden mussten. Die Repatriierung löste in diesen Fällen also nicht das Problem des displacements. Hinzu kam die Gruppe der Ukrainer, die der UdSSR als NS-Kollaborateure galten und damit bei einer Rückkehr Repressalien zu befürchten hatten. Kompliziert war die Lage auch bei den baltischen DPs, die aus Ländern kamen, deren Annexion durch die Sowjetunion von den Westmächten nicht anerkannt wurde. Viele von ihnen waren 1944 vor der Roten Armee geflüchtet und weigerten sich nun, in die von den Sowjets beherrschten Gebiete zurückzukehren. In der britischen und amerikanischen Zone wurden die Balten als staatenlose DPs behandelt, in der französischen Zone wurden sie jedoch vielfach der UdSSR übergeben. An eine baldige Repatriierung war schließlich auch für die Überlebenden der Shoah nicht zu denken, deren Lebensgrundlage in Osteuropa im Laufe des Zweiten Weltkriegs vernichtet worden war.

Grundsätzlich war jedoch die Repatriierung der Mehrzahl der DPs in der unmittelbaren Nachkriegszeit rasch erfolgt. Im September 1945 wurden in den Besatzungszonen der Westalliierten noch rund 1,2 Millionen DPs erfasst.

Lagerleben

In der US-amerikanischen Besatzungszone in Württemberg-Baden gab es nach aktuellem Stand der Forschung im Herbst 1946 zwölf DP-Lager (einschließlich Kinderheime) sowie fünf DP-Gemeinden (Aglasterhausen, Backnang, Dornstadt, Heidelberg, Heidenheim, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Schwäbisch Hall, Stuttgart, Ulm, Waiblingen, Wasseralfingen bei Aalen, Wiesloch). Unter den Bewohnern waren rund 12.000 Jüdinnen und Juden. Im französisch besetzten Teil des heutigen Baden-Württemberg (Baden und Württemberg-Hohenzollern) waren es im Jahr 1947 DP-Lager und DP-Gemeinden in Biberach, Egg bei Konstanz, Gailingen, Konstanz, Ravensburg und Saulgau, unter deren Bewohnern rund 1.600 Jüdinnen und Juden waren. Insgesamt kann man für das heutige Baden-Württemberg von mindestens 28 Lagern ausgehen. Nicht einberechnet ist dabei die Vielzahl der in beschlagnahmtem Privateigentum untergebrachten DPs, die ebenfalls als „DP-Camps“ bezeichnet wurden.

Das Lagerleben der DPs war so vielfältig wie die Anzahl der Lager selbst. Auch wenn die Tatsache der weiteren Unterbringung in vormaligen Lagern die DPs an das ihnen widerfahrene Unrecht erinnert haben mag, nahmen die UNRRA und vor allem deren Nachfolgeorganisation International Refugee Organization (IRO) ihre Aufgabe als Vertreter der DPs sehr ernst und sorgten für Lagerbedingungen, die als akzeptabel galten. So scheuten sich die UNRRA-Mitarbeiter nicht davor, Konflikte mit den Militärregierungen zu suchen, um die Lebensbedingungen „ihrer“ DPs so weit wie möglich zu verbessern.

In der amerikanischen Zone gab es Möglichkeiten zur Selbstverwaltung der Lager, die in der französischen Zone nicht bestanden. So konnten Lagerzeitungen entstehen, die mehrere Aufgaben erfüllten. Zum einen wurde dort über das Lagerleben selbst berichtet, aber es wurden auch internationale Nachrichten von außerhalb der Lager verbreitet und schließlich Listen von Überlebenden veröffentlicht, damit sich Verwandte und Freunde wiederfinden konnten. Manche Lager waren dabei so produktiv, dass es gleichzeitig mehrere Lagerzeitungen gab, so zum Beispiel im Stuttgarter DP-Camp in der Reinsburgstraße die beiden Zeitungen Oif der Fraj und Stuttgarter Bulletin.

Mit dem Ende der Repatriierungspolitik mussten die Lager zwangsläufig von Durchgangszentren zu dauerhaften Wohneinrichtungen umgewandelt werden. Dies bedeutete auch die Entstehung kultureller Einrichtungen. Die UNRRA legte dabei einen besonderen Fokus auf Ausbildung. Es wurden Kindergärten und Schulen eingerichtet, deren Lehrkräfte aufgrund der Separierung von Deutschen und DPs aus den Lagern selbst rekrutiert wurden. Aber auch Kurse zur Berufsausbildung wurden angeboten. Im polnischen DP-Camp Kopernikus in Ludwigsburg gab es beispielsweise Ausbildungskurse unter anderem zum Schmied, Schreiner und Elektriker. Sogar Hochschulen, unter anderem in Esslingen, Ludwigsburg und Ulm, wurden gegründet, an denen zum Teil bis zu 500 Studierende eingeschrieben waren.

Das kulturelle Leben wurde oftmals von den DPs selbst in die Hand genommen. Bereits kurz nach Kriegsende gründeten sich die ersten Tanz- und Theatergruppen. Ein estnisches Theater tourte sogar durch die amerikanische Zone. Neben Bibliotheken und Theatern gab es in einigen Lagern sogar Kinos. Die meisten Lager besaßen darüber hinaus auch eigene Kirchen oder Synagogen. Auch sportliche Tätigkeit wurde angeregt. Das polnische DP-Camp in Ludwigsburg hatte eine eigene Fußballmannschaft und es gab sogar eine jüdische Fußballliga, in der Lagermannschaften aus dem ganzen Südwesten gegeneinander antraten.

Resettlement

Obwohl der größte Teil der DPs erfolgreich repatriiert werden konnte, gestaltete sich dies bei dem Rest weniger einfach. Die Übriggebliebenen zeigten aus einer Vielzahl an Gründen keine oder nur wenig Bereitschaft, in ihre mittlerweile politisch stark veränderten oder zerstörten Herkunftsländer zurückzukehren. Die Westalliierten versuchten zunächst durch unterschiedliche Strategien, die Repatriierung der in Deutschland verbliebenen DPs anzukurbeln. Diese Strategien reichten von negativen Anreizen wie der Einführung einer Arbeitspflicht oder Androhung des Entzugs des DP-Status bis hin zu positiven Überzeugungsversuchen, beispielsweise in Form von Nahrungsgutscheinen in der Heimat, mit Flugblättern oder durch heimgekehrte DPs, die in den Lagern Werbung für das Leben als Repatriierter machten. Diese vor allem an polnische DPs gerichteten Maßnahmen führten zu Teilerfolgen, jedoch kam die Repatriierung im Laufe des Jahres 1946 weitgehend zum Erliegen. Ende 1946 befanden sich im heutigen Baden-Württemberg noch um die 60.000 DPs.

Als Reaktion auf diese Entwicklung wurde Ende 1946 die IRO als Nachfolgeorganisation der UNRRA ins Leben gerufen. Diese war schlechter ausgestattet und in ihrer Tätigkeit bis 1950 beschränkt. Da auch der sich entwickelnde Kalte Krieg eine Verfolgung der Repatriierungspolitik problematisch machte, kam es mit dem Wechsel der zuständigen Organisationen auch zu einem Politikwechsel. Statt der Repatriierung wurde nun auf das Resettlement, also die Neuansiedlung in Drittländern gesetzt. Obwohl Frankreich ebenfalls mit der IRO kooperierte, setzte man in der französischen Besatzungszone noch bis 1947 auf die Repatriierung.

Ihren Durchbruch verdankte die Resettlement-Politik zwei Ereignissen des Jahres 1948: zum einen der Gründung des Staates Israel, in den monatlich bis zu 5.000 jüdische DPs auswandern konnten, zum andern der Lockerung der Einwanderungsgesetze der USA, wodurch nun ein Kontingent von 200.000 DPs, die in der US-Zone in Westdeutschland lebten, in die USA einwandern konnten. Die USA nahmen damit den größten Teil der DPs auf, gefolgt von Australien und Kanada.

Jedoch konnte auch das Resettlement-Programm nicht allen DPs die Möglichkeit einer Auswanderung bieten. Die Aufnahmeländer konnten sich aussuchen, nach welchen Kriterien sie DPs aufnahmen. So wurden vor allem junge, gesunde und arbeitsfähige Männer ausgewählt, deren Einwanderungserlaubnis später auch auf deren Familien erweitert wurde. Zurück blieben also kinderreiche Familien sowie alte, kranke und versehrte DPs. Diese Gruppe wurde von der IRO als hard core bezeichnet und blieb in Deutschland zurück. Ihre Betreuung wurde den Alliierten zunehmend lästig, weshalb mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 sowie mit dem Einstellen der Tätigkeiten der IRO 1950 ihre Übergabe in die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland beschlossen wurde.

DPs als „Heimatlose Ausländer“

Die Übergabe der Verantwortung für die DPs auf die westdeutsche Verwaltung wurde von alliierter Seite teilweise kritisch gesehen. So warnte der Berater des EUCOM-Oberbefehlshabers in jüdischen Fragen, Richter Louis E. Levinthal, schon 1948: „Meine Beobachtungen haben mir die Auffassung vermittelt, daß es im moralischen Klima Deutschlands keine Anzeichen dafür gibt, dass man deutschen Behörden die Zuständigkeit und Kontrolle über nicht-jüdische oder jüdische DPs anvertrauen könnte.“ Trotz dieser Warnungen wurde 1950 beschlossen, dass die IRO lediglich noch für die Betreuung jener DPs zuständig war, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Resettlement-Programm befanden. Die Übriggebliebenen sollte unter deutsche Verwaltung gestellt werden. Die Alliierten knüpften die Übergabe der DPs jedoch an Bedingungen. Besonders die Rechtsstellung der DPs sollte gesichert werden.
 
Die Bundesregierung kam dieser Forderung unter Bekräftigung der historischen Verpflichtung, die man gegenüber den DPs hatte, in Form des „Gesetzes über die Rechtsstellung der heimatlosen Ausländer vom 25. April 1951“ nach. Obwohl dieses Gesetz die alliierten Forderungen erfüllte und sogar über das geltende internationale Flüchtlingsrecht hinausging, wurde den DPs nicht dieselbe wirtschaftliche Unterstützung zugesagt, wie sie beispielsweise die deutschstämmigen Flüchtlinge und Vertriebenen erhielten. Bestrebungen der IRO und Vertretern der DPs, dieselbe rechtliche Stellung zu erreichen, scheiterten. Darüber hinaus ist besonders der verwendete Terminus des heimatlosen Ausländers problematisch. Zum einen wurden damit die DPs als eindeutig „fremd“ deklariert, zum anderen wurde durch diese neue Bezeichnung der Hinweis auf Zwangsverschleppung und Ausbeutung der DPs während des Zweiten Weltkriegs unterschlagen.

Trotz der Zugeständnisse an die Rechtslage der DPs hatte die „historische Verpflichtung“ der Bundesregierung ihre Grenzen. In den Wiedergutmachungs- und Entschädigungsgesetzgebungen der Bundesrepublik fand der Großteil der DPs lange Jahrzehnte keine Berücksichtigung, da – mit Ausnahme der Jüdinnen und Juden – ihre Verfolgung und Ausbeutung nicht anerkannt wurde. Für die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter gab es keine Entschädigung. Dies gilt sowohl für die in Deutschland verbliebenen DPs als auch für jene, die Repatriierungs- und Resettlement-Programme durchlaufen haben. Erst in den späten 1990er-Jahren entstand als Folge ziviler Sammelklagen gegen die Wirtschaftsunternehmen, die von der NS-Zwangsarbeit profitiert hatten, die „Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die schließlich Teile der NS-Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter entschädigte.

Die Verhandlungen über die Übernahme der DPs durch die Bundesrepublik liefen zwischen den Alliierten und der Bundesregierung ab. Trotz der Bonner Zugeständnisse war die Bereitschaft zur Aufnahme und Betreuung der DPs auf lokaler Ebene nicht immer vorhanden. Das Land Württemberg-Baden übernahm zunächst rund 7.500 DPs des hard core, später stieg diese Zahl bis auf mehr als 10.000 Menschen an. Dies hatte teils enormen Widerstand der Kommunen zur Folge. In Winnenden reagierte beispielsweise der Gemeinderat mit geschlossenem Rücktritt auf die Aufnahme von 100 DPs. Als die Stadt Mannheim gebeten wurde, zu prüfen, ob zusätzliche DPs aufgenommen werden konnten, wurde dies mit Verweis auf nicht vorhandenen Wohnraum abgelehnt. Der angebliche Wohnraummangel war ein willkommener Vorwand, nicht mehr DPs als unbedingt nötig aufzunehmen. Auch auf einer Sitzung des Städtetags wurden gegenüber Vertretern der amerikanischen Regierung die angeblich negativen Aspekte der Übernahme für die DPs für die südwestdeutschen Städte hervorgehoben, die sich allerdings auf eine Wiederholung der gängigen Vorurteile gegenüber den DPs beschränkte.

Trotz der Proteste und Widerstände erfolgte dennoch die Aufnahme und Verteilung der DPs auf die südwestdeutschen Städte und Gemeinden. Die ehemaligen DP-Lager wurden aufgelöst, an ihre Stelle traten neugegründete Wohn-, Alters- und Pflegeheime für DPs. Die DPs selbst fühlten sich in der Betreuung durch deutsche Behörden oftmals vernachlässigt oder sogar diskriminiert. Obwohl die DP-Lager aufgelöst wurden, lebten viele DPs auch unter bundesdeutscher Verwaltung weiterhin in lagerähnlichen Baracken. Mit der Übernahme der DPs in deutsche Verantwortung und der Verteilung auf die Kommunen verliert sich die Spur der DPs langsam.

Trotz zahlreicher Probleme und Widerstände gelang es vielen DPs, sich in die deutsche Gesellschaft einzugliedern. Allerdings war dies nicht zuletzt wegen der vorhergegangenen Separierung in Lagern kein leichtes Unterfangen. Ende des Jahres 1959 befanden sich in Baden-Württemberg nur noch 1.229 Personen staatlich fürsorgebedürftig in „Wohnheimen für heimatlose Ausländer“. Erst in den frühen 1960er-Jahren wurden die letzten Wohnheime abgerissen. Die dort noch wohnhaften DPs wurden entweder in eigene Wohnprojekte, in Sozialwohnungsstrukturen oder in neugegründete Fürsorgeinstitutionen wie beispielsweise das „Rehabilitationszentrum für heimatlose Ausländer“ in Stuttgart-Freiberg überantwortet.

Wahrnehmung der DPs in der deutschen Gesellschaft

Trotz ihres erlittenen Schicksals begegnete die deutsche Gesellschaft den DPs vornehmlich mit Diskriminierung und Vorurteilen. Dies begann schon 1945 überall dort, wo den DPs Wohnraum zur Verfügung gestellt wurde, der zu diesem Zweck von Deutschen beschlagnahmt worden war. Und obwohl die DPs an dieser Durchführung alliierter Politik nicht aktiv beteiligt waren, reagierte die deutsche Gesellschaft mit Wut und Ablehnung gegenüber den DPs.

In den Augen der deutschen Nachkriegsgesellschaft handelte es sich bei den DPs um eine vermeintlich „arbeitsscheue“ und kriminelle Bevölkerungsgruppe. Besonders die in der Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit florierende Schwarzmarktkriminalität wurde den DPs zugeschrieben. In den tatsächlichen Kriminalitätsstatistiken und nach Untersuchungen der Alliierten finden sich jedoch keine Hinweise auf eine angebliche Tendenz der DPs, stärker kriminell zu sein als Deutsche.

Die negative Wahrnehmung der DPs durch die deutsche Nachkriegsgesellschaft lässt sich unter anderem auch auf die Separierung von DPs von der deutschen Gesellschaft zurückführen. Es kam kaum zu Möglichkeiten der Begegnung oder des Austauschs. Stattdessen konnten sich Vorurteile gegenüber den DPs als Feindbilder festigen, wonach es den DPs auf Kosten der Deutschen gut gehe. Ignoriert wurde dagegen die fremdbestimmte und prekäre Lagerexistenz der DPs. Bei der ablehnenden Haltung gegenüber den DPs mag sicherlich auch deren osteuropäische Herkunft und eine Kontinuität der nationalsozialistischen Ideologie in den Köpfen der Deutschen eine Rolle gespielt haben. Aber auch alliierte Soldaten teilten die negativen Vorurteile gegenüber den DPs. Die DPs sahen sich also Anfeindungen sowohl von Seiten der Besetzten als auch der Besatzer ausgesetzt.

Was bleibt? Die Suche nach Erinnerungsorten

Bei der Suche nach einem Erinnerungsort für DPs in Baden-Württemberg ist festzuhalten, dass die DPs sowohl im öffentlichen Raum als auch in der Erinnerungskultur des Landes bis heute kaum eine Rolle spielen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen handelt es sich bei den DPs um eine in nationaler und sozialer Hinsicht sehr heterogene Gruppe, deren Mitglieder zudem noch auf recht unterschiedliche Art und Weise im Nationalsozialismus Unrecht erlitten haben. Darüber hinaus war die Opfergruppe der DPs einer besonderen Marginalisierung und Fremdbestimmung ausgesetzt, beginnend mit der Ausbeutung und Misshandlung durch das NS-Regime über die Separierung in Lagern durch die Besatzungsmächte bis hin zum Dasein als „heimatlose Ausländer“ in der neugegründeten Bundesrepublik. Umso schwieriger ist es also, der komplexen Geschichte der DPs durch Verdichtung auf einen einzigen Ort gerecht zu werden. Die Schwierigkeit des Unterfangens, für die DPs überhaupt einen Erinnerungsort zu schaffen, zeigt sich an mehreren Beispielen in Baden-Württemberg.

Die Reinhardt-Kaserne in Ellwangen war mit circa 3.000 dort untergebrachten Ukrainerinnen und Ukrainern eines der größeren DP-Lager im heutigen Baden-Württemberg. Die Kaserne diente jedoch auch mehreren anderen Zwecken. Während des „Dritten Reiches“ wurde sie als SS-Kaserne genutzt. Bis 1950 diente sie als DP-Lager, danach als Stützpunkt der US-Armee, bevor sie ab 1956 von der Bundeswehr genutzt wurde und damit der älteste Standort der Bundeswehr in Baden-Württemberg ist. Nachdem 2014 die letzten uniformierten Einheiten der Bundeswehr abgezogen wurden, wurde 2015 im ungenutzten Teil der Kaserne eine Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge eingerichtet. Die Kaserne kann also nicht nur als Erinnerungsort für DPs, sondern damit konkurrierend auch als Symbol der Präsenz der US-Armee in Deutschland aufgrund des Kalten Krieges, der Remilitarisierung Deutschlands oder der sogenannten „Flüchtlingskrise“ der Jahre 2015/16 dienen. Die Reinhardt-Kaserne ist ein gutes Beispiel dafür, wie mögliche Erinnerungsorte der DPs von anderen, stärker im kollektiven Gedächtnis verankerten Erinnerungen überlagert werden. Unter dieser „Mehrfachbelegung“ tritt die Erinnerung an die DPs in den Hintergrund.

Ein weiteres Beispiel ist die Ausstellung in der Reichsarbeitsdienst-Baracke im Hohenloher Freilandmuseum in Schwäbisch Hall-Wackershofen. Die Ausstellung gibt den ehemaligen Bewohnern der Baracke – Zwangsarbeitern, Heimatvertriebenen und später „Gastarbeitern“ – eine Stimme, indem das Leben der Bewohner und die Perspektive der einheimischen Bevölkerung geschildert werden. Auf die fortgesetzte Geschichte der Zwangsarbeiter als DPs wird jedoch in den Beschreibungen auf Flyern und der Website nicht eingegangen.

Dasselbe gilt auch für das 1951 in Dornstadt bei Ulm eingerichtete DP-Altersheim. Ursprünglich sollten dort 90 Prozent der Heimplätze für DPs reserviert sein; 1963 lag die Aufteilung zwischen DPs und Deutschen schon bei ungefähr jeweils 50 Prozent, während 1988 nur noch fünf bis zehn der insgesamt rund 600 Heimbewohner DPs waren. Auf der Homepage des Heims findet sich heute keinerlei Hinweis auf den ursprünglichen Entstehungszweck der Einrichtung.

Allerdings gibt es eine Vielzahl kleiner Denkmäler und Gedenktafeln, die meist auf Initiative der DPs selbst oder der Hinterbliebenen entstanden sind. Beispiele finden sich für polnische DPs in Ludwigsburg, für estnische DPs in Geislingen an der Steige oder für litauische DPs in Schwäbisch Gmünd. Diese Beispiele teilen das Problem, dass sie nur an kleine, lokale Teilgruppen der DPs erinnern und sich daher kaum eignen, als kollektiver Erinnerungsort für die Gesamtheit der DPs zu fungieren.

Es gibt allerdings auch Einrichtungen, die sich ausführlicher mit den DPs auseinandersetzen, so zum Beispiel die Dokumentationsstelle „Lager“ in Weinsberg bei Heilbronn. Sie befindet sich in einer der letzten erhaltenen Baracke des hiesigen DP-Lagers und informiert über Bewohner und Lagerleben mithilfe von Quellen in Form von Fotos, Briefen und Dokumenten. Die Ausstellung ist allerdings ebenfalls lokal begrenzt und eignet sich daher nur bedingt als zentraler baden-württembergischer Erinnerungsort für DPs.

Zersplitterte Erinnerung

Die Spuren von Displaced Persons in Baden-Württemberg sind ausgesprochen kleinteilig und schwer aufzufinden. Die Gründe dafür liegen in der Geschichte dieser NS-Opfergruppe. Zum einen befanden sich 1952, zum Zeitpunkt der Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg, nur rund 10.000 DPs in Baden-Württemberg. Darüber hinaus stellen die DPs eine extrem heterogene und zugleich vulnerable und marginalisierte Bevölkerungsgruppe dar, denen sowohl politische Vertretung und Öffentlichkeit fehlt, um eigene Interessen wirkungsvoll artikulieren zu können. Und nicht zuletzt handelt es sich um eine Gruppe, die auch nach 1945 weiterhin von Fremdbestimmung und Ablehnung in der westdeutschen Gesellschaft gekennzeichnet war. An ihrer Geschichte, an der Aufarbeitung ihres erlittenen Unrechts und an einer Entschädigung gab es kaum Interesse.

Die Probleme bei der Suche nach baden-württembergischen Erinnerungsorten für DPs lassen sich in zwei Worten zusammenfassen: Mehrfachbelegung und Zersplitterung. „Mehrfachbelegung“, weil die authentischen Orte der DP-Lager oft mit mehreren Bedeutungen belegt sind, unter denen die Bedeutung des Ortes für die DPs in der kollektiven Erinnerung in den Hintergrund tritt. Der Begriff „Zersplitterung“ umreißt die Heterogenität der Gruppe der DPs, die daraus folgende Separierung in Nationalitäten, die kleinteilige Verteilung des hard core über das Gebiet des heutigen Baden-Württemberg sowie die zersplitterte Verantwortlichkeit zwischen UNRRA, IRO, den beiden westalliierten Besatzungsmächten und des Landes Baden-Württemberg bzw. der Bundesrepublik Deutschland.

Weiterführende Infos

Literaturhinweise

www.after-the-shoah.org/

Müller, Roland: Vom Zwangsarbeiter und Holocaust-Überlebenden zum „heimatlosen Ausländer“: Displaced Persons im deutschen Südwesten, in: Mathias Beer (Hrsg.): Baden-Württemberg – eine Zuwanderungsgeschichte, Stuttgart 2014, S. 43–67.

Müller, Ulrich: Fremde in der Nachkriegszeit. Displaced Persons – zwangsverschleppte Personen – in Stuttgart und Württemberg-Baden 1945–1951, Stuttgart 1990.

Stadtarchiv Ulm, Haus der Geschichte: Displaced Personsn nach 1945

Hagen, Nikolaus/Nesselrodt, Markus/Strobl, Philipp/Velke-Schmidt, Marcus (Hrsg.): Displaced-Persons-Forschung in Deutschland und Österreich. Eine Bestandsaufnahme zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Berlin 2022.

ÜBERBLICK: ERINNERUNGSORTE IN BADEN-WÜRTTEMBERG

Dieser Text enstand im Rahmen einer Lehrveranstaltung am Seminar für Zeitgeschichte und am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen, in der sich Studierende im Sommersemester 2022 mit weiteren Erinnerungsorten in Baden-Württemberg beschäftigt haben.
Weitere Texte aus diesem Seminar:

Queere Erinnerungskultur in Baden-Württemberg (Timo Mäule)

20. Dezember 1992 – Die Stuttgarter Lichterketten gegen fremdenfeindliche Gewalt (Sophia Rilling)

Die schwäbische Kehrwoche (Stephanie Raunegger)

Identität und Rivalität – Fußball in Baden-Württemberg (Hendrik Schirner)

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