Der reichste Fürst

Hymne von Württemberg

„Der reichste Fürst“ ist die Hymne von Württemberg und erzählt eine Geschichte. In den historischen Landesteilen des heutigen Baden-Württemberg hat sich je eine Hymne erhalten: das Badnerlied, die Hymne der Württemberger und das Hohenzollernlied.
 

Württemberg-Hymne: Der reichste Fürst

Den Text zu „Der reichste Fürst“ schrieb 1818  der Tübinger Romantiker Justinus Kerner.  Er schrieb seinen Text zu einer Melodie, die nicht lange zuvor anonym entstanden war und zum ersten Mal 1801 in einem Liederbuch aufgezeichnet wurde. Auffallend sind die musikalischen Parallelen zur Marseillaise. Der früheste gemeinsame Abdruck von Text und Musik in dieser Form stammt aus dem Jahr 1823. Auch später hatte diese Hymne für die Württemberger noch eine große Bedeutung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Landesteile Württembergs verschiedenen Besatzungszonen zugeteilt, womit sich die Württemberger allerdings nicht anfreunden konnten.

Theodor Eschenburg schreibt dazu in seinen Erinnerungen an die Zeit der Verhandlungen um den Südweststaat:

"...der württembergische Patriotismus spielte eine starke Rolle. Unentwegt wurde das württembergische Nationallied (von Justinus Kerner) "Preisend mit viel schönen Reden" gesungen, in dem die deutschen Fürsten ihre Länder loben und bei dem es üblich war, dass die Leute die letzte Strophe, in der dem Württemberger, dem Grafen im Barte, der Preis zuerkannt wird, stehend sangen. Selbst die Kommunisten erhoben sich."

Theodor Eschenburg: Letzten Endes meine ich doch. Erinnerungen 1933-1999. Berlin, 2000

In dem Lied wird eine Geschichte erzählt. Es handelt sich um eine Ballade, die historisch verankert und damit traditionsschaffend benutzt wird. Drei Besonderheiten fallen auf: Zunächst einmal, dass auch das neue, napoleonisch vergrößerte Württemberg von seinen Traditionen und seiner politischen Kultur sowie seinen moralischen Ansprüchen her als Verlängerung von Altwürttemberg, also des Herzogtums Wirtemberg gesehen wird. Die ganz anders strukturierten Neuerwerbungen mit ihrer spezifischen Agrar- und Sozialstruktur und größtenteils anderer, katholischer Konfession sind im Lied faktisch ausgeblendet.

Das entspricht durchaus der historischen Realität: Die Neuerwerbungen wurden als Einverleibungen in ein bestehendes, vitales Staatswesen aufgefasst; deren Geschichte fand im württembergischen Geschichtsbild keinen Platz. Lehrer und Beamte hatten den Auftrag, den altwürttembergischen „Way of Life“ quasi missionarisch zu verbreiten, mit strenger Disziplinierung, Sparsamkeit, Bescheidenheit. Diese Werte wurden als universell aufgefasst. Demgegenüber war Baden faktisch, nicht staatsrechtlich, eine Neugründung. Die Hymnen zeigen damit auch unterschiedliche Integrationskonzepte und -wege zwischen Baden und Württemberg.

Das Lied spiegelt zweitens und im Vergleich zu Sachsen, der Kurpfalz und Bayern die wirtschaftliche Realität. Altwürttemberg galt eher als ein armes Land: kaum Rohstoffe und Energievorräte, teilweise schlechte Böden, ganz abgesehen von einer verhältnismäßig schlechten Verkehrslage. Der Hinweis im Lied, „in Wäldern, noch so groß“, kann die schwere Zugänglichkeit des Landes meinen, aber auch ein Spiel mit der Zuschreibung der Schwaben als „Hinterwäldler“ sein.

Der eigentliche Reichtum waren – und sind auch heute noch – seine Menschen, fromm, fleißig, die die Not auch erfinderisch gemacht hatte: Humankapital als der eigentliche Standortfaktor. Als Drittes kommt hinzu die besondere Beziehung von Obrigkeit und Untertanen, von Herrschaft und „Landschaft“ (wie man die korporativ organisierte Gesamtheit der Untertanen nannte). Ein Adel als Zwischenschicht existierte im Herzogtum nicht, Herrschaft und Untertanen begegneten sich unmittelbar, wie im Lied. Institutionell war damit ein Ausgleich zwischen Herrscherhaus und Untertanenschaft erforderlich und in der Realität gegeben, der konfliktmoderierend wirken konnte und sollte.

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Abbild der Realität

Das Lied spiegelt zweitens und im Vergleich zu Sachsen, der Kurpfalz und Bayern die wirtschaftliche Realität. Altwürttemberg galt eher als ein armes Land: kaum Rohstoffe und Energievorräte, teilweise schlechte Böden, ganz abgesehen von einer verhältnismäßig schlechten Verkehrslage. Der Hinweis im Lied, „in Wäldern, noch so groß“, kann die schwere Zugänglichkeit des Landes meinen, aber auch ein Spiel mit der Zuschreibung der Schwaben als „Hinterwäldler“ sein.

Der eigentliche Reichtum waren – und sind auch heute noch – seine Menschen, fromm, fleißig, die die Not auch erfinderisch gemacht hatte: Humankapital als der eigentliche Standortfaktor. Als Drittes kommt hinzu die besondere Beziehung von Obrigkeit und Untertanen, von Herrschaft und „Landschaft“ (wie man die korporativ organisierte Gesamtheit der Untertanen nannte). Ein Adel als Zwischenschicht existierte im Herzogtum nicht, Herrschaft und Untertanen begegneten sich unmittelbar, wie im Lied. Institutionell war damit ein Ausgleich zwischen Herrscherhaus und Untertanenschaft erforderlich und in der Realität gegeben, der konfliktmoderierend wirken konnte und sollte.

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Interpretationen

Von daher kann der Fürst sein Haupt – zumindest im übertragenen Sinne – „jedem Untertan in Schoß“ legen, weil er „Württembergs geliebter Herr“ ist. Dieser symbolische Akt hat jedoch Implikationen in verschiedene Richtungen. Die eine betrifft den Untertanen und ist quietistisch: Denke daran, dein Fürst ist ein Mensch wie du, nicht ein Feind, den es mit einer Revolution zu bekämpfen gilt! Die andere richtet sich an den Herrscher: Übe dein Amt so aus, dass du jederzeit dein Haupt „jedem Untertan in Schoß“ legen kannst! Wohl dem Land, in dem sich Herrscher und Untertan so gut vertragen.

Württemberg erscheint so als ein Land der Harmonie, was in der Tat ein deutliches Merkmal der württembergischen politischen Kultur ist, ein Zug, um den die anderen Potentaten Württemberg nur beneiden konnten: „Graf im Bart, Ihr seid der reichste.“ Das schwäbische Understatement kann hier in Worms im Kreise der Reichen und Mächtigen am Ende auftrumpfen. Man kann vielleicht die Geste noch weiter deuten – in Richtung Volkssouveränität, wenn der Herrscher sich so wörtlich in die Hand der Untertanen begibt. Ein Stück weit kündigt sich hier schon die Weiterentwicklung Württembergs zur konstitutionellen Monarchie an.

Am Schluss bleibt festzuhalten, dass sich baden-württembergische Identität nach wie vor regional präsentiert, entlang der alten Grenzen der nachnapoleonischen Zeit. Denn eine Baden-Württemberg-Hymne gibt es nicht, trotz immer wieder unternommener Versuche, etwas Vergleichbares zu fördern. Vielleicht ist die Zeit für die Schaffung neuer Hymnen einfach auch vorbei.

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Text Der reichste Fürst

Preisend mit viel schönen Reden
Ihrer Länder Wert und Zahl,
Saßen viele deutsche Fürsten
Einst zu Worms im Kaisersaal.

„Herrlich“, sprach der Fürst von Sachsen,
„Ist mein Land und seine Macht;
Silber hegen seine Berge
Wohl in manchem tiefen Schacht.“

„Seht mein Land in üpp'ger Fülle,“
Sprach der Kurfürst von dem Rhein,
„Goldne Saaten in den Tälern,
Auf den Bergen edlen Wein!“

„Große Städte, reiche Klöster!“,
Ludwig, Herr zu Bayern sprach.
„Schaffen, daß mein Land dem euren
wohl nicht steht an Schätzen nach.“

Eberhard, der mit dem Barte,
Württembergs geliebter Herr,
Sprach: „Mein Land hat kleine Städte,
Trägt nicht Berge silberschwer;

Doch ein Kleinod hält's verborgen:
Daß in Wäldern, noch so groß,
Ich mein Haupt kann kühnlich legen
Jedem Untertan in Schoß.“

Und es rief der Herr von Sachsen,
Der von Bayern, der vom Rhein:
„Graf im Bart! Ihr seid der Reichste!
Euer Land trägt Edelstein!“

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