Formelle Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg

Die Menschen in Baden-Württemberg haben in kommunalpolitischen Angelegenheiten bedeutenden Einfluss. So entscheiden die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel unmittelbar, wer Bürgermeister:in wird. Traditionell ausgeprägt sind in Baden-Württemberg auf kommunaler Ebene außerdem Elemente der direkten Demokratie. Diese Seite gibt einen Überblick über die formelle Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene.

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Was ist formelle Bürgerbeteiligung?

Formelle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zeichnet sich dadurch aus, dass sie formell, also beispielsweise per Gesetz, geregelt ist. Zu der formellen Bürgerbeteiligung zählen Wahlen und Verfahren der direkten Demokratie wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sowieEinwohnerversammlung. Dabei können Bürgerinnen und Bürger auf eigene Initiative hin selbst über Themen abstimmen.

Unterschied: Informelle Bürgerbeteiligung

Als informelle Beteiligungsverfahren werden solche Verfahren bezeichnet, die nicht vom Gesetz her festgeschrieben sind. Bei der informellen Beteiligung sollen Bürgerschaft und Entscheidungsträger frühzeitig im politischen Prozess ins Gespräch kommen. Informelle Beteiligungsformen sind etwa Bürgerräten, Bürgergutachten oder Zukunftswerkstätten.

Einen Überblick über verschiedene Formate bietet unsere Seite Informelle Beteiligung.

Gesetzliche Grundlage: Direkte Demokratie im Gesetz

Seit den 1990er Jahren haben insbesondere Formen der direkten Demokratie an Bedeutung gewonnen. Artikel 20, Absatz 2 des Grundgesetzes regelt, dass die Staatsgewalt durch das Volk in „Wahlen und Abstimmungen“ ausgeübt wird. Welche Möglichkeiten garantiert das Gesetz?

Auf kommunaler Ebene existieren in der baden-württembergischen Gemeindeordnungen die Instrumente:

Kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung

Ein Sonderfall ist die in der Gemeindeordnung festgeschriebene Kinder- und Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg. Was bedeutet Kinder- und Jugendbeteiligung? Welche Formen von Kinder- und Jugendbeteiligung gibt es?

zur Seite: Kinder- und Jugendbeteiligung

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Wahlen

Eine Variante der formellen Beteiligung ist die Wahl. Mittels Wahlen werden auf kommunaler Ebene beispielsweise Gemeinderäte, Bürgermeister:innen und Kreistage gewählt. Die Bürgerinnen und Bürger legitimieren die Parlamente und die Abgeordneten, stellvertretend für sie politische Entscheidungen zu treffen. 

Die Wahl ist die wichtigste Form der politischen Beteiligung im Rahmen der repräsentativen Demokratie. Die Menschen in Baden-Württemberg haben in kommunalpolitischen Angelegenheiten bedeutenden Einfluss, denn

  • sie entscheiden unmittelbar, wer Bürgermeister:in wird (Plebiszit);
  • sie haben mittels Panaschieren und Kumulieren einen stärkeren Einfluss darauf, wer in den Gemeinderat kommt.

Immer noch sind Wahlen die Form der politischen Partizipation, bei der die verschiedenen Gruppen der Bevölkerung am ehesten teilnehmen und deren Ausgang mit hoher Wahrscheinlichkeit die Bevölkerungsmeinung noch am besten repräsentiert. Eine weitere wichtige Form der konventionellen Beteiligung ist die Mitarbeit in Parteien.

Überblick: Kommunalwahlen in Baden-Württemberg

Kommunalwahlen finden alle fünf Jahre statt. Die nächste wird vermutlich 2024 sein. Bei einer Kommunalwahl können wir über unsere Region entscheiden und sie aktiv mitgestalten, denn nirgends sonst ist der Einfluss der Bürgerschaft so groß wie auf der kommunalen Ebene. Mehr zu den Kommunalwahlen

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Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

Was sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheid?

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sind Verfahren der direkten Demokratie und bilden zwei Stufen eines Beteiligungsverfahrens. Damit haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, auf Kommunalebene direkt in die lokale Politik einzugreifen.

Das Bürgerbegehren ist die stärkste Form der Beteiligung. Danach kann ein bestimmtes Quorum der Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde selbst initiativ werden, um eine Entscheidung durch einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Dafür müssen in der Regel sieben Prozent aller wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger das Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen. Zur Entscheidung gestellt werden dürfen nur wichtige Angelegenheiten der Gemeinde, zum Beispiel die Errichtung oder Schließung einer öffentlichen Einrichtung.

Ein Bürgerentscheid folgt entweder auf ein erfolgreiches Bürgerbegehren oder es kann vom Gemeinderat selbst mit einer Zweidrittel-Mehrheit initiiert werden. Damit der Antrag auf einen Bürgerentscheid angenommen wird, muss er von einer bestimmten Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern in einem festgelegten Zeitraum unterschrieben werden. In einem Bürgerentscheid können alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde nach den Grundsätzen der freien, gleichen und geheimen Wahl über eine zur Abstimmung gestellte wichtige Angelegenheit entscheiden. 

Unterschied: Volksbegehren, Volksentscheid und Volksabstimmung

Wenn Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auf der Landes- bzw. Bundesebene angewendet werden, so bezeichnet man sie als Volksbegehren und Volksentscheid. Die Regeln für die konkrete Umsetzung unterscheiden sich jedoch von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Bei der Volksabstimmung entscheiden die stimmberechtigten Staatsbürger über Sachfragen - im Unterschied zu Wahlen, die sich auf Personalentscheidungen beziehen.

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Was sind die Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren?

Es gibt einige Voraussetzungen, damit ein Bürgerbegehren zu Stande kommt:

  • Das Bürgerbegehren muss schriftlich eingereicht werden.
  • Das Bürgerbegehren muss die Frage, über die entschieden werden soll, eine Begründung und einen Vorschlag über die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahmen enthalten.
  • Nur Angelegenheiten, die nicht schon während der vergangenen drei Jahre Gegenstand eines Bürgerentscheids auf Grund eines Bürgerbegehrens waren, können aufgegriffen werden.
  • Mindestens sieben Prozent aller Wahlberechtigten der Gemeinde (höchstens aber 20.000 Personen) müssen das Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen.
  • Das Bürgerbegehren kann jederzeit eingereicht werden. Richtet sich dieses jedoch gegen einen Beschluss des Gemeinderats, muss das Bürgerbegehren innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses vorliegen.

Über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat. 

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Wie viele Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gibt es in Baden-Württemberg?

Bereits seit 1956 gibt es Bürgerentscheide in Baden-Württemberg. Die Zahl kommunaler Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Baden-Württemberg ist seither deutlich gestiegen. Das geht aus dem Bürgerbegehrensbericht 2020 von Mehr Demokratie e.V. hervor.

992 Verfahren fanden von 1956 bis 2019 in Baden-Württemberg statt. Bundesweit hat es in diesem Zeitraum 8.099 Verfahren auf kommunaler Ebene gegeben – die meisten davon in Bayern (40 Prozent der Verfahren), gefolgt von Baden-Württemberg mit zwölf Prozent. 

Im Zeitraum 2016 bis 2019 fanden durchschnittlich pro Jahr 25 Bürgerentscheide in Baden-Württemberg statt. 42 Bürgerbegehren mit ausreichender Unterschriftenzahl wurden jährlich bei baden-württembergischen Gemeinden eingereicht. Nur 20 dieser 42 pro Jahr eingereichten Bürgerbegehren wurden für zulässig erklärt und führten unmittelbar zum Bürgerentscheid, heißt es in dem „Bürgerbegehrensbericht 2020“. 

Reform 2015: Weniger Hürden

Die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind durch vier Reformen in den Jahren 1975, 1998, 2005 und 2015 in Baden-Württemberg schrittweise gesenkt worden. Die Refom 2015 brachte folgende Änderungen:

  • Mindestens sieben Prozent - und nicht mehr zwischen sieben und zehn Prozent - der Wahlberechtigten müssen ihre Unterschrift leisten.
  • Das Quorum wurde von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Ein Bürgerentscheid ist seither bereits gültig, wenn 20 Prozent aller Wahlberechtigten eine Sache befürworten oder ablehnen.
  • Es darf seither auch über Baugebiete und Flächennutzungspläne abgestimmt werden. 
  • Die Einreichungsfrist von gegen Gemeinderatsbeschlüsse gerichteten Bürgerbegehren wurde von sechs Wochen auf drei Monate verlängert. 

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Einwohnerversammlung und Einwohnerantrag

Die baden-württembergische Gemeindeordnung (§ 20a GemO) sieht vor, dass wichtige Angelegenheiten der Gemeinde mit der Einwohnerschaft erörtert werden sollen. Das fördert die direkte Kommunikation zwischen Verwaltung und Menschen vor Ort. Zu diesem Zweck soll der Gemeinderat in der Regel einmal im Jahr und nach Bedarf eine Einwohnerversammlung anberaumen. Ein bestimmtes Quorum der Einwohnerinnen und Einwohner kann eine Einwohnerversammlung auch erzwingen. 

Der Einwohnerantrag hat am 1. Dezember 2015 den sogenannten Bürgerantrag ersetzt, den nur Wahlberechtigte stellen durften. Mit dem Einwohnerantrag kann die Einwohnerschaft beantragen, dass der Gemeinderat eine bestimmte Angelegenheit behandelt (§ 20b GemO). Für diese Angelegenheit muss die Gemeinde zuständig ist. 

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Wie kann die Einwohnerschaft eine Einwohnerversammlung durchsetzen?

Voraussetzungen für einen Antrag sind u.a.:

  • Der Antrag muss schriftlich eingereicht werden und die zu erörternden Angelegenheiten angeben.
  • Der Antrag darf nur Angelegenheiten angeben, die innerhalb der vergangenen sechs Monate nicht bereits Gegenstand einer Einwohnerversammlung waren.
  •  In Gemeinden mit unter 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern muss der Antrag von fünf Prozent, höchstens aber von 350 Einwohnerinnen und Einwohnern unterzeichnet werden.
  • In Gemeinden mit über 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern müssen 2,5 Prozent, mindestens aber 350 und höchstens 2.500 antragsberechtigten Personen.

Über die Zulässigkeit des Antrags entscheidet der Gemeinderat. Ist der Antrag zulässig, muss die Einwohnerversammlung innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags abgehalten werden.

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Letzte Aktualisierung: Februar 2022, Internetredaktion LpB BW.

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