Landesverfassung

Baden-Württemberg

Am 11. November 1953 wurde die Verfassung des Landes Baden-Württemberg von der Verfassunggebenden Landesversammlung mit 102 Ja-Stimmen gegen fünf Nein-Stimmen und bei sieben Enthaltungen angenommen. Am 19. November 1953, Punkt 9 Uhr, trat sie in Kraft. Wie ist die Verfassung entstanden? Diese Seite gibt einen Überblick über die Entstehung der Verfassung.

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Verfassunggebende Versammlung

Am 9. März 1952 fanden die Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung statt, in der die CDU 50, die SPD 38, die FDP/DVP 23, die Vertriebenenpartei BHE sechs und die Kommunisten (KPD) vier Mandate hatten. Nach der Regierungsbildung vom 25. April 1952 herrschte für einige Wochen ein verfassungsrechtlicher Schwebezustand, den das „Gesetz über die vorläufige Ausübung der Staatsgewalt im südwestdeutschen  Bundesland“, das sogenannte Überleitungsgesetz vom 17. Mai 1952, beendete.

Ende des politischen Ringens

Nun erst waren die drei Nachkriegsländer endgültig aufgehoben. Das Gesetz gab dem Land den vorläufigen Namen Baden-Württemberg. Das annähernd sieben Jahre andauernde Ringen um den Südweststaat war zu Ende. Die beiden Entwürfe für eine Landesverfassung, die im Sommer 1953 der Verfassunggebenden Landesversammlung vorlagen, wichen zum Teil recht deutlich voneinander ab. Der gemeinsame Entwurf der Regierungsfraktionen sah eine parlamentarische Demokratie nach Bonner Vorbild vor, allerdings mit einer durch das Kollegialprinzip abgeschwächten Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten.

Der Entwurf der CDU visierte als Gegengewicht zum Parlament einen auf sechs Jahre vom Volk direkt gewählten Staatspräsidenten und eine Zweite Parlamentskammer an. Außerdem forderte die CDU eine stärkere Volksbeteiligung durch Elemente direkter Demokratie. Strittig waren auch die Bereiche Religion, Erziehung und Unterricht.

Strittige Fragen

Die Regierungsfraktionen traten für die in Baden übliche christliche Gemeinschaftsschule ein, während der Verfassungsentwurf der CDU ein Nebeneinander von Bekenntnisschulen – wie sie in Südwürttemberg-Hohenzollern üblich waren – und christlichen Gemeinschaftsschulen vorsah.

Erst mit dem Rücktritt Reinhold Maiers (FDP/DVP), der nach dem CDU-Sieg bei der Bundestagswahl im Oktober 1953 seinen Amtssitz in der Villa Reitzenstein räumte, gestalteten sich die Beratungen leichter. Gebhard Müller bildete nun, ganz nach seinem Politikverständnis, eine zweite vorläufige Regierung unter Einbeziehung aller vier demokratischen Parteien zur Schöpfung der Verfassung und zum Aufbau des Landes.

Verabschiedung der Landesverfassung am 11. November 1953

Schon vor der Regierungsbildung hatten sich die Koalitionspartner über die besonders strittigen Fragen verständigt. Noch am selben Tag, an dem die Regierung Müller eingesetzt wurde, brachten die vier Fraktionen der Koalition einen gemeinsamen Verfassungsentwurf in die Landesversammlung ein. Am 11. November 1953 wurde die Verfassung des Landes Baden-Württemberg mit großer Mehrheit verabschiedet. Sie trat am 19. November 1953 in Kraft.

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Die Verfassungsurkunde

Das Original der baden-württembergischen Landesverfassung wird im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt. Neben der schlichten Ausfertigung vom 11./16. November 1953 stellte man für die Landesausstellung 1955 – auf Wunsch des Archivs – eine aufwändige, in Pergament gebundene und mit einem Prägesiegel versehene Verfassungsurkunde her, die vom Präsidenten der Verfassunggebenden Versammlung und den Mitgliedern der vorläufigen Regierung nachträglich unterzeichnet wurde.

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Das Grundgesetz und die Landesverfassung

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schreibt in Artikel 28 nur wenige Grundsätze für die Verfassungen der deutschen Länder vor. Alles andere ist der Gestaltungsfreiheit des Verfassungsgebers in den Ländern überlassen. So unterscheiden sich die Länderverfassungen zum Teil erheblich in der Wahl der Regierung, deren Abberufung, der Richtlinienkompetenz und in den Funktionen des Staatsoberhauptes.

Anders als das Grundgesetz enthält die Verfassung Baden-Württembergs mit der Möglichkeit zur Parlamentsauflösung durch Volksabstimmung und mit dem Volksbegehren auch unmittelbare Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger.

Eine Verfassung ist auf Dauer angelegt und muss dennoch auch für Veränderungen offen sein. Das Recht auf Verfassungsänderung besitzt der Landtag von Baden-Württemberg mit einer Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder. Allerdings wurde bislang nur selten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die wichtigsten Veränderungen betrafen die Einführung des Volksbegehrens (1974), die Verlängerung der Wahlperiode des Landtags auf fünf Jahre (1995), die Beteiligung des Landtags an den für das Land bedeutsamen Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union (1995), die Einführung des kommunalen Wahlrechts für EU-Bürger (1995) sowie die Absenkung des Wahlalters (aktives Wahlrecht) von 18 auf 16 Jahre (2022).

Drei neue Staatsziele wurden ebenfalls in die Verfassung aufgenommen: In Art. 3 a der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (1995), in Artikel 3 b der Schutz der Tiere als Lebewesen und Mitgeschöpfe (2000) sowie in Art. 3 c die Förderung des kulturellen Lebens und des Sports durch den Staat und die Gemeinden (2000).

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Ein Doppelname für das neue Bundesland

Mit dem Inkrafttreten der Landesverfassung bekam der Südweststaat am 19. November 1953 auch einen offiziellen Namen.

Die Frage, wie das neue Land denn nun heißen solle, hatte die Bevölkerung und die Politiker mehrere Monate lang beschäftigt. Zahlreiche Vorschläge wurden gemacht, Zeitungen veranstalteten Umfragen, honorige Professoren wurden zurate gezogen und Bürger diskutierten in Leserbriefen.

Skurrile und humorvolle Vorschläge machten die Runde, mit am höchsten wurden jedoch die historisch begründeten Namensformen „Schwaben“, „Staufen“, „Rheinschwaben“ und „Alemannien“ gehandelt. Gegen jeden dieser Vorschläge gab es allerdings Argumente. Keiner konnte letztlich die historische Vielfalt des Landes und seiner Bevölkerung treffend in sich vereinen. Den Vorschlag „Baden-Württemberg“ fanden viele hingegen phantasielos.

Am Ende standen sich bei der Namengebung zwei Gruppen gegenüber: Die einen lehnten einen Doppelnamen prinzipiell ab, weil das Land so nicht zur Einheit finden könne. Die anderen argumentierten für den Doppelnamen und mit der historischen Bedeutung der beiden Länder Baden und Württemberg. Man wählte schließlich mit „Baden-Württemberg“ den kleinsten gemeinsamen Nenner, wohl auch, weil man nicht erneut Öl auf die Wunden der Südweststaatgegner gießen wollte.

Bei der Namengebung wurde Baden der Vortritt gelassen – zum einen, weil man das neue Land vom ehemaligen Württemberg- Baden unterscheiden wollte, und zum anderen wohl, um die Badener, die sich mit dem Zusammenschluss so schwer getan hatten, versöhnlich zu stimmen.

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Weitere Informationen

Die Landesverfassung zum Nachlesen

Als gedruckte Ausgabe oder als PDF zum Download (kostenlos). Herausgeber: LpB BW und Landtag von BW, Stuttgart 2019, 161 Seiten 

zum LpB-Shop: Landesverfassung BW

 

Die Landesverfassung von Baden-Württemberg

In 94 Artikeln regelt unsere Landesverfassung die Grundsätze des politischen Lebens in Baden-Württemberg, des Zusammenlebens der Menschen im Land sowie die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger. Wie hängen die Verfassung von Baden-Württemberg und das Grundgesetz zusammen? Welche Verfassungsänderungen gab es bereits? Wie ist die Verfassung aufgebaut? Das erklärt die Seite.

mehr Infos: Die Verfassung von Baden-Württemberg

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Autor: Prof. Dr. Reinhold Weber | Letzte Aktualisierung durch die Internetredaktion der LpB BW: Juli 2023.

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