Phase der Einwanderung nach 1945

in Baden-Württemberg

Heimatvertriebene

In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg kamen vor allem Flüchtlinge und Heimatvertriebene in den deutschen Südwesten. Zwischen 1944/45 und 1950 waren etwa 14 Millionen der insgesamt rund 18 Millionen Deutschstämmigen aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa von Flucht und Vertreibung betroffen. Etwa 12,5 Millionen von ihnen fanden in der späteren Bundesrepublik oder in der DDR, wo man sie euphemistisch „Umsiedler“ nannte, Zuflucht. Im deutschen Südwesten gingen die pro Jahr gemessenen Zahlen nach einem ersten Höhepunkt im Jahr 1946 etwas zurück. Kumuliert erreichten sie dann 1961, im Jahr des Mauerbaus, ihren Höchststand, als rund 1,2 Millionen Flüchtlinge aus dem östlichen Europa und etwa 420.000 Flüchtlinge aus der DDR und der SBZ (Sowjetischen Besatzungszone) in Baden-Württemberg lebten. Zusammengenommen machten die „Neubürger“, wie sie hier von Amts wegen genannt wurden, fast 21 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. In manchen Landkreisen lag ihr Anteil deutlich über dreißig Prozent.

Über Jahrzehnte hinweg wurde in der Bundesrepublik Deutschland der Mythos der „raschen Integration“ der Heimatvertriebenen gepflegt. Erst in jüngerer Zeit hat die Forschung hier manches zurechtgerückt. Auch der Südwesten war keinesfalls das „Musterländle“ der Vertriebenenintegration. Aber bei allen Schwierigkeiten, Vorbehalten und Integrationsdefiziten ist die Eingliederung der Heimatvertriebenen – gemessen an den Faktoren, anhand derer wir heute die Integration von nichtdeutschen Migranten bewerten – gut gelungen, wenn auch nicht so rasch und reibungslos, wie vielfach verlautbart wurde.

Alles in allem kann man jedoch auf den Erfahrungen von damals aufbauen und Schlüsse für die heutigen Herausforderungen in der Integrationspolitik ziehen: Zunächst belegt das Beispiel der Heimatvertriebenen, dass Integration Zeit, klare Regeln und staatliche Unterstützung braucht. Selbst bei den Heimatvertriebenen, die zum allergrößten Teil der deutschen Sprache mächtig waren, die sofort einen deutschen Pass und das Wahlrecht erhielten und die im „Wirtschaftswunderland“ Bundesrepublik begehrte Arbeitskräfte waren, zeigen sich diese Phänomene.

Zwei positive Dinge bleiben besonders festzuhalten. Zugespitzt könnte man sagen, dass ohne die Heimatvertriebenen das Bundesland Baden-Württemberg gar nicht gegründet worden wäre, denn in der Volksabstimmung 1952 entschieden sie sich mehrheitlich für den Zusammenschluss der früher eigenständigen Länder Baden und Württemberg. Sie waren damit, wie es der Tübinger Migrationsforscher Mathias Beer herausgearbeitet hat, das „Zünglein an der Waage“. Zweitens ist Baden-Württemberg das einzige Bundesland, das sich in seiner Landesverfassung zum unveräußerlichen Menschenrecht auf Heimat bekennt. Der entsprechende Artikel 2 kam vor allem auf Druck der damaligen Heimatvertriebenenverbände in die Landesverfassung von 1953.

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„Gastarbeiter“

Die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, der sogenannten „Gastarbeiter“, hat nach dem Zweiten Weltkrieg in Baden-Württemberg begonnen. Vor allem in der Landwirtschaft fehlten Arbeitskräfte, so dass die Bauernverbände die ersten Helfer aus Italien ins Land holten. Am 20. Dezember 1955 schloss die Bundesrepublik Deutschland mit Italien das erste bilaterale staatliche Anwerbeabkommen ab. Nach kurzer Zeit folgten weitere Anwerbeabkommen mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Der industrielle Aufbau der Bundesrepublik, der in der kollektiven Wahrnehmung als „Wirtschaftswunder“ wahrgenommen wurde, ist auch diesen ausländischen Arbeitskräften zu verdanken. Allein von 1955 bis zum Anwerbestopp im Jahre 1973 kamen 14 Millionen Migrantinnen und Migranten nach Deutschland. Elf Millionen zogen in diesem Zeitraum wieder weg.

Eigentlich wurde Deutschland schon in dieser frühen Phase zum Einwanderungsland. Viele der angeworbenen Arbeitsmigranten ließen sich dauerhaft nieder, holten ihre Familien nach oder gründeten Familien in Deutschland. Zuwanderung war in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend für das Bevölkerungswachstum in Baden-Württemberg. Seit 1952 zogen insgesamt fast zwanzig Millionen Menschen aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland nach Baden-Württemberg. 16 Millionen haben das Land im gleichen Zeitraum wieder verlassen. Es sind also 36 Millionen Menschen hin- und hergezogen – mehr als dreimal so viele wie heute in Baden-Württemberg leben.

Alles in allem hat sich die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte für Deutschland „gelohnt“. Viele Deutsche stiegen auf Grund der Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften in bessere berufliche Positionen auf (sog. „sozialer Fahrstuhleffekt“). Zwischen 1960 und 1970 schafften rund 2,3 Millionen Deutsche den Aufstieg von Arbeiter- in Angestelltenpositionen, vor allem wegen der Ausländerbeschäftigung. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums aus dem Jahr 1976 ermöglichten die ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine starke Verringerung der Arbeitszeit unter Beibehaltung des Wirtschaftswachstums. Die ausländischen Arbeitskräfte zahlten Steuern, ohne in entsprechendem Umfang öffentliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Bereits 1971 hätten sonst die Beiträge zur staatlichen Rentenversicherung erhöht werden müssen. Das „Rentenloch“, das schon damals beklagt wurde, wäre ohne diese Beiträge nicht zu stopfen gewesen. Den von den ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die Rentenversicherung gezahlten Beträgen stand nur rund ein Zehntel an Leistungen gegenüber. Die Rentenversicherung wurde, wenn man so will, lange Zeit weitgehend von den „Gastarbeitern“ geradezu subventioniert.

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Spätaussiedler

Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs machten sich ab Ende der 1980er-Jahre viele Aussiedler und Aussiedlerinnen auf den Weg nach Deutschland, vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion sowie aus Polen und Rumänien. Insgesamt kamen zwischen 1950 und 2013 rund 4,5 Millionen Spätaussiedler nach Deutschland. Auch in Baden-Württemberg sind sie eine der größten Zuwanderergruppen. Seit der Gründung des Bundeslandes im Jahr 1952 sind rund 470.000 Menschen aus Ost- und Südosteuropa nach Südwestdeutschland gekommen, vor allem aus der Tschechoslowakei und Ungarn, später aus Polen und Rumänien. Seit Beginn der 1990er-Jahre waren es zumeist „Russlanddeutsche“, die an der Spitze der Zuwanderungsstatistik standen.

„Russlanddeutsche“ ist dabei ein Sammelbegriff für die deutschen bzw. deutschstämmigen Bewohner Russlands und anderer Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Mit rund 93.000 Personen markierte das Jahr 1990 den Höhepunkt der Zuwanderung von Spätaussiedlern. Dabei entstanden in Baden-Württemberg einzelne Hochburgen wie etwa in Lahr. Als dort 1994 die kanadischen Streitkräfte abzogen und Tausende Wohnungen leer standen, wurden rund 10.000 „Russlanddeutsche“ angesiedelt, die etwa ein Viertel der Stadtbevölkerung ausmachten. Lange Zeit galt das Quartier als sozialer Brennpunkt, aber heute sprechen Expertinnen und Experten eher von einer erfolgreichen Integration der Zuwanderergruppe.

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Vietnamesische Bootsflüchtlinge

Dramatische Szenen von ertrinkenden Boatpeople riefen Ende der 1970er-Jahre in Deutschland Rettungsaktionen ins Leben, darunter als bekannteste sicherlich die der Hilfsorganisation „Ein Schiff für Vietnam“, die sich 1982 nach ihrem Rettungsschiff „Cap Anamur“ umbenannte und mit dem Aktivisten Rupert Neudeck weltbekannt wurde. Die vietnamesischen Kriegsflüchtlinge, die ab 1978 in Deutschland aufgenommen wurden, mussten aufgrund ihrer Kategorisierung als Kontingentflüchtlinge kein Asylverfahren durchlaufen und waren damit gegenüber anderen Flüchtlingsgruppen privilegiert. Letztlich hat dies sicherlich auch zu ihrer insgesamt erfolgreichen Integration beigetragen.

Im Vergleich der deutschen Bundesländer hatte Baden-Württemberg mit 15,2 Prozent der in Deutschland aufgenommenen vietnamesischen Bootsflüchtlinge eine der höchsten Aufnahmequoten. Rund 38.000 Flüchtlinge aus Indochina nahm Deutschland damals insgesamt auf. Sie wurden mit staatlicher Unterstützung und gecharterten Schiffen und Flugzeugen nach Deutschland gebracht. In Stuttgart wurde 1980 das Dôc-Lâp-Zentrum zur Beratung von Flüchtlingen aus Südostasien eröffnet, das bis Anfang der 1990er-Jahre bundesweit tätig war.

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Jüdische Kontingentflüchtlinge

Während des Kalten Krieges gab es immer auch die Einwanderung von Juden aus dem sowjetischen Machtbereich. Oftmals wurden sie als „Dissidenten“ bezeichnet, so etwa diejenigen, die 1948 vor der kommunistischen Machtübernahme in Prag flüchteten. 1953 folgten im Zuge des Volksaufstandes Juden aus der DDR, 1956 aus Ungarn und 1968 nach der Unterdrückung des „Prager Frühlings“ aus der Tschechoslowakei. Ab Mitte der 1980er-Jahre kamen dann auch die ersten Juden aus der Sowjetunion. In nicht wenigen jüdischen Gemeinden wurden mit diesen Zuwanderungen die Zahlenverhältnisse zwischen „deutschen Juden“ und „Ostjuden“ umgekehrt. Nicht selten kam es auch zu gemeindeinternen Konflikten, weil die Neuzuwanderer nach Deutschland zwar keine „Orthodoxen“, wohl aber traditionalistisch ausgerichtet waren und stärker an althergebrachten Überlieferungen oder auch an der jiddischen Sprache hingen.

Mit dem Ende der Systemkonfrontation zwischen Ost und West eröffnete sich für jüdische Menschen aus der zerfallenden Sowjetunion nach langen Jahrzehnten der Demütigung und Unterdrückung eine neue Möglichkeit, nach Deutschland auszuwandern. Seit 1991 fanden Juden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen als Kontingentflüchtlinge Aufnahme in Deutschland. Das Gesetz für solche Hilfsaktionen galt bis 2005, war recht kompliziert, garantierte den Zuwanderern aber relativ privilegierte Integrationsvoraussetzungen in Form unbefristeter Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen, Sozialleistungen, Sprachkursen und Unterstützung bei der beruflichen Integration. Deutschland wurde nun mit rund 200.000 jüdischen Einwanderern (bis 2005) nach Israel und den USA zum drittwichtigsten Einwanderungsland für Juden aus der ehemaligen Sowjetunion.

Zwei Merkmale zeichneten die jüdischen Einwanderer aus: Sie waren – verglichen mit anderen Zuwanderungsgruppen – im Durchschnitt relativ alt, verfügten allerdings über einen hohen Bildungsgrad. Beides erleichterte jedoch die Integration nicht unbedingt. Vor allem der Einstieg in den Berufsmarkt gelang vielen nicht sofort. Auch die Integration in die jüdischen Gemeinden erfolgte nicht ohne Reibungen, wobei zu bemerken ist, dass die jüdischen Gemeinden in Baden und Württemberg auch kaum auf den großen Zuzug vorbereitet waren.

Im Jahr 2005 wurde im Rahmen des „Zuwanderungsgesetzes“ der Zuzug jüdischer Menschen wieder begrenzt. Seither müssen sie Grundkenntnisse der deutschen Sprache und eine positive Integrationsprognose (z. B. Arbeitsplatz) nachweisen sowie die Zusage, Mitglied einer jüdischen Gemeinde werden zu können. Dadurch sind die Zahlen deutlich zurückgegangen, derzeit auf nur rund 100 Personen pro Jahr. In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, besonders in der Ukraine, leben noch immer zahlreiche auswanderungswillige Juden, für die aber derzeit weit überwiegend nur Israel als Auswanderungsziel in Frage kommt. Eine abschreckende Rolle spielt dabei sicherlich auch der aufkeimende Antisemitismus in Deutschland. Heute hat die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs rund 3.000 Mitglieder, diejenige Badens rund 5.000.

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Asylbewerber und „Flüchtlingskrisen“

Steigende Zahlen von Asylbewerbern führten bislang dreimal in der Geschichte des Landes zu heftigem Streit über die Asylpolitik. Dabei wurde immer von „Flüchtlingskrisen“ gesprochen, wobei es sich nicht um Krisen der Flüchtlinge, sondern um solche der Flüchtlingspolitik handelte.

Als im Jahr 1979 die Zahl der Asylbewerber in Deutschland auf 51.000 anstieg und im darauffolgenden Jahr die „magische“ Schwelle von 100.000 erreicht wurde – das entsprach zwei Dritteln aller Asylsuchenden in Europa –, entbrannte besonders im Wahljahr 1980 eine heftige Auseinandersetzung um „Asylmissbrauch“ und „Scheinasylanten“. Schon in den Jahren zuvor waren in Deutschland politisch verfolgte Flüchtlinge aus Griechenland (seit 1967) und Chile (seit 1973) sowie Flüchtlinge aus den Entwicklungsländern der sogenannten „Dritten Welt“ (Pakistan, Jordanien, Zentralafrika und anderen) aufgenommen worden.

In den Jahren nach 1980 wurde es dann relativ ruhig um die Asylbewerberzahlen, die dann aber ab 1991 wieder anstiegen. Im Jahr 1992 erreichten die Zahlen bundesweit einen Höhepunkt mit 440.000. In Baden-Württemberg stellten in diesem Jahr rund 61.000 Flüchtlinge einen Asylantrag. Nach jahrelangen Diskussionen und trotz massiver Proteste wurde schließlich im Mai 1993 vom Bundestag mit Zustimmung der oppositionellen SPD, die sich dem politischen und medialen Druck gebeugt hatte, das Grundgesetz geändert und das im Artikel 16 verbriefte Grundrecht auf Asyl stark eingeschränkt.

Als zu Beginn der 1990er-Jahre der Vielvölkerstaat Jugoslawien in einem blutigen Bürgerkrieg in die heute souveränen Staaten Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Montenegro sowie Serbien zerfiel, zeigte Baden-Württemberg erneut große Hilfsbereitschaft für die zahlreichen Flüchtlinge. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien ging mit ethnischen Vertreibungen von Kroaten, Serben, Muslimen, Kosovo-Albanern und Roma einher, von denen viele zu ihren Verwandten nach Deutschland flüchteten. Viele der Ex-Jugoslawen, die schon lange Zeit als „Gastarbeiter“ hier lebten, sahen in der Aufnahme ihrer geflüchteten Landsleute eine moralische Pflicht. Diese Hilfsnetzwerke stellten gleichzeitig auch eine Entlastung für die bundesdeutschen Behörden dar, etwa wenn es um Wohnraum und Lebensunterhalt der Bürgerkriegsflüchtlinge ging. Neben Nordrhein-Westfalen und Bayern war Baden-Württemberg eines der Hauptaufnahmeländer. Während der Kriegsjahre stieg die Zahl der Zuwanderer aus Ex-Jugoslawien in Baden-Württemberg von rund 181.000 (1990) auf knapp 320.000 (1995) an. Allein in Stuttgart lebten zeitweise mehr Bürgerkriegsflüchtlinge vor allem aus Kroatien und Bosnien als in ganz Großbritannien.

Über die gesamten 2000er-Jahre hinweg lagen die Zahlen der Asylbewerberinnen und -bewerber in Baden-Württemberg bei maximal rund 5.000 pro Jahr, meist sogar deutlich darunter. Vor allem durch den Krieg in Syrien stieg die Zahl der Asylsuchenden bereits seit 2013 deutlich an und erreichte schließlich 2015 einen Spitzenwert, als Baden-Württemberg rund 185.000 Menschen aufnahm, von denen knapp 98.000 einen Antrag auf Asyl stellten. Bereits im Folgejahr 2016 ging die Zahl auf 56.000 aufgenommene Flüchtlinge zurück (ca. 33.000 Asylanträge), 2017 waren es noch 16.000 Asylbewerber. Trotz weltweit steigender Flüchtlingszahlen – im Jahr 2020 wurde ein Rekordwert von fast 80 Millionen Menschen auf der Flucht registriert, von denen die meisten im eigenen Land oder in Nachbarländern bleiben – hat sich der Abwärtstrend bei den Asylanträgen in Baden-Württemberg fortgesetzt.

In Baden-Württemberg lebten Ende 2017 rund 194.100 Schutzsuchende. Diesen Begriff verwenden die Statistiker, um die Zahl derjenigen Ausländerinnen und Ausländer zu erfassen, die sich unter Berufung auf humanitäre Gründe als Schutzsuchende in Deutschland aufhalten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Begriffe wie Flüchtlinge, Asylbewerber oder Asylberechtigte oftmals synonym für geflüchtete Menschen genutzt werden. Sie beschreiben aber jeweils nur eine Teilmenge der Schutzsuchenden. Die Definition des Statischen Bundesamtes liefert dagegen einen ganzheitlichen Überblick über die humanitäre Migration nach Deutschland. Die Mehrheit der Schutzsuchenden – über 120.000 bzw. 62 Prozent – hat nach seinen Berechnungen einen humanitären Aufenthaltstitel und damit einen anerkannten Schutzstatus, auch wenn diese Anerkennung überwiegend befristet war. Die Zahl der Schutzsuchenden hat sich im Südwesten innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifacht. Trotzdem lag ihr Anteil an allen ausländischen Staatsangehörigen nur bei zwölf Prozent, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Baden-Württemberg bei nur knapp zwei Prozent.

Rückblickend hat nicht nur Baden-Württemberg seine dritte sogenannte „Flüchtlingskrise“ der Jahre 2015/16 recht gut bewältigt. Auch wenn die Folgen noch lange spürbar sein werden, so bleibt doch im Rückblick festzuhalten, dass Großartiges geleistet wurde. Seit 2015 haben rund 55 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren Flüchtlinge in Deutschland unterstützt, so eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach. Im Jahr 2018 waren es demnach noch rund elf Prozent der Bevölkerung, die etwa in Form von Sprachunterricht, Begleitung bei Arztbesuchen oder mit Patenschaften aktive Flüchtlingshilfe leisteten. Viele der Ehrenamtlichen haben sich dabei bis zur körperlichen Erschöpfung engagiert, und etwa ein Drittel der Deutschen hat mit Sachspenden einen immensen Beitrag zu einer aktiven Willkommenskultur geleistet. Sozialwissenschaftler sprechen angesichts dieser bemerkenswerten Zahlen von der größten sozialen Bewegung der Bundesrepublik.

Mit zunehmender Aufenthaltszeit kommen die Geflüchteten inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt an, wenngleich ihr Zugang zu Arbeit nicht leicht ist. Ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgt oftmals in Form von Unterbeschäftigung, Qualifizierung und Fördermaßnahmen. Das bedeutet, dass ihre Arbeitsmarktintegration nach wie vor intensive politische und administrative Unterstützung braucht. Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Motivation zur Arbeitsaufnahme und dadurch zur Unabhängigkeit von Sozialleistungen bei den Geflüchteten sehr hoch ist. Geflüchtete leisten also einen nennenswerten Beitrag zur Abmilderung des Arbeitskräftemangels im Land. Besonders hoch ist dabei ihre Bereitschaft zur Aus- und Weiterbildung. Hemmnisse sind aber weiterhin mangelnde Deutschkenntnisse und fehlende Informationen über den deutschen Arbeitsmarkt. Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der Anerkennung formaler Abschlüsse und die rechtliche Unsicherheit in Bezug auf Bleibeperspektive und Arbeitserlaubnis. Eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim kam zu dem Ergebnis, dass 2018 bereits etwa jede vierte geflüchtete Person in der einen oder anderen Form erwerbstätig war. Dabei besteht jedoch ein starkes Gefälle zwischen den Geschlechtern (31 Prozent bei Männern im Vergleich zu elf Prozent bei Frauen).

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Weiterführende Informationen zur Einwanderung und Integrationspolitik in Baden-Württemberg finden Sie auf den Seiten:

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Autor: Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun (August 2020) | Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB, Stand: Februar 2021

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