Der Badische Frauenverein 1859-1937

„Gemeinnützige Zwecke, welche sich für Frauenthätigkeit eignen“ – Erinnerungsorte in Baden-Württemberg

Der Badische Frauenverein, gegründet 1859, zwangsaufgelöst Ende 1937, stellte im späten 19. Jahrhundert die bedeutsamste Frauenwohlfahrtsorganisation Badens dar. Unter dem Protektorat Großherzogin Luises von Baden (1838–1923) breitete sich ein dichtes Netzwerk von Frauenvereinen über das Land aus. Sie widmeten sich vor Ort allen sozialen Aufgaben, die mit dem weiblichen Wesen vereinbar schienen. Neben Wohlfahrtsaufgaben traten bald schon die Verbesserung der Ausbildung junger Frauen und die Entwicklung neuer weiblicher Berufsbilder.

Zwar verstand sich der Verein nicht als Mitglied der zeitgenössischen Frauenbewegung, doch zählt er zu den Wegbereitern verbesserter weiblicher Bildungs- und Berufsmöglichkeiten. Nach der Gründung der Republik gegen den eigenen Bedeutungsverlust kämpfend, wurde er während des Nationalsozialismus gleichgeschaltet und schließlich endgültig aufgelöst. Selbst die Erinnerung an ihn war lange verschüttet.

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Autorin: Sylvia Schraut

Der Text von Sylvia Schraut erschien unter dem Titel „Der Badische Frauenverein 1859–1937“ in dem „Baden-Württembergische Erinnerungsorte“ anlässlich des 60. Jahrestages von Baden-Württemberg. Darin werden 51 Erinnerungsorte Baden-Württembergs vorgestellt.

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Großherzogin Luises Verdienst

„Langgestreckt in der südwestlichen Ecke Deutschlands, durchflutet von unserm mächtigsten Strome, dem Rhein, durchzogen vom tannengekrönten, sagenumwobenen Schwarzwald, liegt das Großherzogtum Baden. Lange Jahre des Friedens sind ihm beschieden, seine Bewohner sind biedere und zugleich aufgeklärte Menschen und unter dem Schutze eines Herrscherpaares, das im wahren Sinne des Wortes seinen Bürgern Landesvater und Mutter ist, gedeihen kraftvoller wie in anderen Zonen Deutschlands die wertvollsten Kulturarbeiten: der Ausbau aller Schulen, die Entwicklung der Wissenschaften und nicht zuletzt die Wohlfahrtspflege. Bewundernswert ist insbesondere, was durch freie Vereinstätigkeit der Frauen auf Anregung und unter Leitung der Großherzogin Luise geleistet wird. Das ganze Land ist übersponnen mit einem Netz von Vereinen mit Veranstaltungen zur Hebung der Wohlfahrt und sämtliche Netzfäden treffen sich in einem Knotenpunkte: dem badischen Frauenverein.“

Mit diesen poetisch anmutenden Worten leitete Alice Bensheimer, langjährige Schriftführerin des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF), einen Vortrag auf dem 1904 in Berlin stattfindenden Internationalen Frauenkongress ein. Der Badische Frauenverein – das Thema, dem sich Alice Bensheimer widmete – stellte keine Institution der bürgerlichen Frauenbewegung dar, und der Verein war auch nicht Mitglied des BDF. Vermutlich hätte die Gründerin der landesweiten badischen Wohlfahrtsorganisation, Großherzogin Luise von Baden, eine wie auch immer geartete Nähe ihres „Kindes“ zur bürgerlichen Frauenbewegung weit von sich gewiesen. Doch so eindeutig stellt sich die Sachlage in der historischen Rückschau nicht dar.

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Was wollte der Badische Frauenverein?

Wie viele andere wohltätige Frauenorganisationen des 19. Jahrhunderts ist die Entstehungsgeschichte des Vereins eng mit der weiblichen Seite der Kriegsbewältigung, mit der Mobilisierung von Frauen für die „Verteidigung des Vaterlandes“ verbunden. Anlässlich des „Italienischen Krieges“, den Piemont und Frankreich 1859 gegen Österreich führten, entstanden auch im Großherzogtum Baden Komitees von Männern und Frauen, die sich die Unterstützung der österreichischen Sache zu Eigen machten. An die Spitze der weiblichen Bestrebungen stellte sich die erst 20-jährige Großherzogin. In einer Denkschrift an das Innenministerium regte sie unter dem Dach des Badischen Frauenvereins die Gründung von Zweigvereinen im ganzen Land an. Diese sollten die kommunale Armenfürsorge entlasten, kriegsbedingt Arbeitslosen zu Beschäftigung und Einkommen verhelfen und mit regelmäßigen Spendensammlungen zur Linderung der Not beitragen.

Auf den in der Folge ergehenden landesweiten Aufruf entstanden mit behördlicher und kirchlicher Unterstützung in allen Amtsstädten entsprechende Frauenvereine. Die Karlsruher Zentrale suchte nach Kriegsende die Zweigvereine zusammenzuhalten, den Gesamtverein zu verstetigen und seine Mitglieder auf Wohltätigkeit auch in Friedenszeiten zu verpflichten. Doch das hohe Ziel stieß vorerst im Land auf wenig Zustimmung. Viele der Neugründungen gingen ein. Andere ältere lokale Wohlfahrtsvereine sahen die Notwendigkeit für eine landesweite Organisation nicht gegeben.

Erst die Reichseinigungskriege von 1866 und 1870/71 und das in ihnen neu erwachende weibliche soziale Engagement schufen eine Grundlage für die Verstetigung der Frauenvereine und ihre landesweite Vernetzung. Auf der Basis der neuen Statuten von 1872 konnte endlich der gezielte landesweite Ausbau des Badischen Frauenvereins beginnen. Satzungsänderungen 1892 und 1910 stärkten die organisatorische Stellung und die Mitbestimmungsrechte der Zweigvereine. Gezielte Mitgliederwerbungen, gemeinsame Bemühungen der äußerst engagierten Landesfürstin, von staatlichen Behörden, Repräsentanten der Kirchen und der adeligen bzw. bürgerlichen Honoratiorenschaft vor Ort, sorgten für einen erstaunlichen Aufschwung des Vereins. Seit den 1880er-Jahren verdoppelte sich die Anzahl der Mitglieder pro Jahrzehnt.

Der Vereinsstatistik zufolge zählte man 1910 über 82 000 Mitglieder in 416 Zweigniederlassungen. Damit gehörte etwa jede sechste erwachsene Einwohnerin Badens einer Unterorganisation des Badischen Frauenvereins an und jede vierte badische Gemeinde besaß eine Niederlassung. In zahlreichen kleinen Gemeinden konnte die Organisation jede zweite erwachsene Frau zu ihren Mitgliedern zählen. Wenn die Fürstin rief, konnte sich keine Kommunalbehörde dem Kooperationsgebot verweigern. Auch auf die Unterstützung der (protestantischen) Kirche durfte sich die Großherzogin zumeist verlassen. Insbesondere Frauen des Bürgertums und der örtlichen Honoratiorenschaft betrachteten es als eine Ehre, in Zusammenarbeit mit der Landesmutter sozialer Not entgegenzuwirken.

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Tätigkeitsfelder des Badischen Frauenvereins

Nicht nur die zahlenmäßige Entwicklung des Vereins war beachtlich. Als Kriegshilfeverein entstanden und dem Ziel des Ausbaus der „weiblichen Liebestätigkeit“ in Kriegszeiten dauerhaft verpflichtet, war der Verein Mitglied der Frauenvereine des Roten Kreuzes. Doch über das ursprüngliche Vereinsziel hinaus weitete die Organisation ihre Tätigkeit, von der Landesfürstin gelenkt, ermuntert und gedrängt, systematisch auf die Organisation der Wohltätigkeit in Friedenszeiten aus. Abteilung I widmete sich der Bildung und „Erwerbsbefähigung“ von Mädchen in „frauenspezifischen“ Berufen. Dazu zählte die Förderung des Handarbeits- bzw. des hauswirtschaftlichen Unterrichts in den Schulen und die Ausbildung qualifizierter hauswirtschaftlicher Lehrerinnen. Abteilung II beschäftigte sich mit der sogenannten Kinderpflege. Unterstützt wurden insbesondere auf dem Land alle Bemühungen, Kinderkrippen einzurichten. Für qualifiziertes Personal sorgten Lehrgänge für Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen.

Der Verbesserung der Gesundheitsverhältnisse, vor allem dem Auf- und Ausbau eines landesweiten Netzes von Krankenpflegeeinrichtungen, diente Abteilung III. Ähnlich den niedergelassenen Hebammen sollten in Karlsruhe ausgebildete Krankenpflegerinnen Dienste übernehmen, wenn sie gerufen wurden. „Bedenken Sie: 160 Landkrankenpflegerinnen, von denen jede ungefähr 560 Besuche im Jahre macht, welche unendliche Hilfskraft dies bedeutet! Gerade in den ganz kleinen weit von einander liegenden Orten, die meist ohne Arzt und Apotheke sind – welcher Segen hygienischer Aufklärung wird hierdurch verbreitet, welche Unsumme veralteter irriger Vorurteile wird hierdurch ausgerottet!“, so der Kommentar Alice Bensheimers. Weitere Abteilungen widmeten sich traditionellen Aufgaben der privaten Wohlfahrt, der Versorgung von Waisenkindern und Armen beispielsweise. Seismografisch beobachtete die Vereinsleitung die zeitgenössischen gesundheits- und sozialreformerischen Debatten.

Als 1899 der erste reichsweite Tuberkulosekongress in Berlin stattfand, übernahm der Badische Frauenverein die Tuberkulosebekämpfung als neues Betätigungsfeld. „Tausende von Flugblättern wurden verteilt, ein besonderes Merkbüchlein für die Frauen auf dem Land herausgegeben, Versammlungen und Vorträge veranstaltet, Spuckgläser und Wäschesäcke verteilt und in die Behandlung der einzelnen Krankenfälle nach den verschiedenen Richtungen hin eingetreten.“ In Reaktion auf die aktuellen reichsweiten Kampagnen zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit schuf der Verein 1906 eine neue Abteilung für Säuglingsfürsorge, die mit Belehrungen über Hygiene, Stillkampagnen und der materiellen Hilfe für stillende Mütter auf sich aufmerksam machte.

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Leistungen des Frauenvereins

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg unterstützte der Verein die Kampagnen der Sozial- und Wohnungsreformer, die auf eine öffentliche Gesundheitskontrolle des vorhandenen Wohnungsbestands zielten. Während des Ersten Weltkriegs schließlich koordinierte der Badische Frauenverein in Kooperation mit den Organisationen der bürgerlichen Frauenbewegung die pflegerische und soziale kriegsbegleitende Hilfstätigkeit des weiblichen Geschlechts.

Mit Hilfe von Mitgliedsbeiträgen, Sammlungen, Spenden, Schenkungen des Herrscherhauses, Schul- und Pflegegeldern, des Verkaufs von Wohlfahrtsmarken und staatlich genehmigter Lotterien wurden die Mittel beschafft, die der Badische Frauenverein für seine Aktivitäten benötigte. Dass die Kommunen mehr und mehr dazu übergingen, soziale Aktivitäten des Vereins organisatorisch und finanziell zu unterstützen, die nicht in den gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabenbereich der Gemeinden gehörten, belegt die hohe Akzeptanz, die der Badische Frauenverein genoss.

Als Beispiel hierfür kann der Ausbau der Volksküchen in Mannheim gelten: In der aufstrebenden Industriemetropole waren es Fabrikanten, die eine erste Initiative ergriffen, für die Arbeiter- und sonstige bedürftige Bevölkerung eine Volksküche einzurichten. Als ein Unternehmerehepaar dem Stadtrat eine stattliche Summe als Stiftung zur Verfügung stellte, richtete die Kommune 1889 eine Volksküche ein, deren ehrenamtliche Leitung dem Badischen Frauenverein übertragen wurde. Dass die Institution dringend nötig war, lässt sich an der Eröffnung einer zweiten Volksküche im Jahr 1904 ablesen; weitere folgten in den nächsten Jahren. Obwohl der Verein unter wirtschaftlichen Druck geriet, betreute er 1932 noch immer 14 Essensausgabestellen, die täglich durchschnittlich 1100 Essensportionen gegen geringes Entgelt verkauften.

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Der Badische Frauenverein und die Frauenfrage

Die Bedeutung des Vereins für den Ausbau öffentlicher Wohlfahrt im Großherzogtum Baden ist nicht zu bezweifeln. Wie aber hielt es der Badische Frauenverein mit der Ende des 19. Jahrhunderts so heftig diskutieren Gleichstellung des weiblichen Geschlechts? Emanzipation im Sinne der radikalen bürgerlichen Frauenbewegung war nicht seine Sache. Großherzogin Luise fühlte sich einem Frauenbild verpflichtet, das die mütterlichen Eigenschaften der Frauen betonte und diese für staatliche Aufgaben nutzbringend einzusetzen wünschte. Sie war aber auch der Überzeugung, „daß der Frau zur Erfüllung ihres, ihr von der Vorsehung angewiesenen Pflichtenkreises nie genug Anregung, Belehrung, rathende Hilfe und Unterstützung geboten werden kann […] zur Pflege des religiösen Lebens ihres Herzens, zur Ausbildung ihrer Geisteskräfte und ihrer Arbeitsfähigkeit“.

Diese Zielvorgabe teilten die Damen des Badischen Frauenvereins mit ihren Schwestern in der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung. Zwar bezweckten viele Bildungsmaßnahmen des Vereins, hausfrauliche Kompetenzen zu erweitern. Doch der Ausbau von Kinderbewahranstalten und Kindergärten in den Landgemeinden brachte es mit sich, den Beruf der Kinderpflegerin zu entwickeln. Sollte die Krankenpflege auf dem Lande verbessert werden, waren gut ausgebildete Krankenschwestern vonnöten. Und so machte sich der Badische Frauenverein die Professionalisierung weiblicher bürgerlicher Nächstenliebe zur Aufgabe.

Nicht zuletzt trug die ehrenamtliche Arbeit der Bürgerdamen in den Organisationen des Badischen Frauenvereins dazu bei, ihre Kompetenzen in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Mitarbeit in kommunalen Kommissionen zu stärken. Zwar war die Gleichstellung des weiblichen Geschlechts in Recht und Politik nicht Sache des Badischen Frauenvereins. Zweifellos trug er jedoch dazu bei, ein „frauenfreundliches“ Klima in Baden zu fördern. Es schlug sich in der Gründung des Ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe 1893 nieder. Dass Baden als erstes deutsches Land im Jahr 1900 die Universitäten für Frauen öffnete, mag zumindest mit auf die Tätigkeit des Badischen Frauenvereins zurückzuführen sein.

An diese indirekte Wirkung der weiblichen staatsnah organisierten Nächstenliebe mag Alice Bensheimer gedacht haben, als sie 1904 der in Berlin versammelten internationalen bürgerlichen Frauenbewegung erläuterte: „Vieles, was die deutsche Frauenbewegung heute erstrebt, wurde im Badischen Frauenverein seit seinem Bestehen geübt; Sie haben gehört, daß in Kriegszeiten der Männer- und Frauenverein gleichberechtigt arbeiten; im deutschen Zentralkomité sind sie gemeinsam vertreten. Im Jahre 1870 beim ersten vom Badischen Frauenverein eingerichteten Unterrichtskurs für Arbeitslehrerinnen wurde bestimmt, daß die Prüfung durch einen Kommissar unter Zuziehung einiger sachverständiger Frauen zu erfolgen habe. Also auch hier: ein klares Erkennen und Erfüllen berechtigter Forderungen.“ Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass im alltäglichen Einsatz für soziale und Frauenfragen die Angehörigen des staatstragenden Badischen Frauenvereins und die Protagonistinnen der bürgerlichen Frauenbewegung bestens zusammenarbeiteten.

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Die Entwicklung nach dem Ersten Weltkrieg

Die große Zeit des Badischen Frauenvereins war nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Ende der Monarchie und der Gründung der Weimarer Republik vorbei. Die Abdankung auch des badischen Herrscherhauses beraubte den Badischen Frauenverein der selbstverständlichen und bevorzugten Förderung durch die Landesregierung. Die Einflussmöglichkeiten der vormaligen Landesmutter Großherzogin Luise sanken sichtlich schon vor ihrem Tod 1923. Der Verein gab sich schon 1922 eine neue Satzung. Nun vollständig eingegliedert in das Rote Kreuz, begann der Badische Frauenverein zunehmend sein eigenständiges sozialpolitisches Profil zu verlieren. Viele der von den Zweigvereinen aufgebauten sozialen und medizinischen Einrichtungen übernahmen nach und nach die Kommunen in öffentlicher Trägerschaft.

Für die „fürsorgliche Belagerung“ sozial Bedürftiger durch Bürgerdamen verschwand mehr und mehr die Akzeptanz. Entsprechend sank auch die Mitgliederzahl von fast 95 000 Mitgliedern (1920) auf 73 000 (1937). Es war wohl nicht nur der schlechten Wirtschaftslage geschuldet, sondern auch dem abnehmenden öffentlichen Interesse, dass die finanziellen Möglichkeiten des Vereins zu schwinden begannen und manche Einrichtung aufgegeben werden musste. Im „Dritten Reich“ als Untergliederung des Roten Kreuzes wie der Dachverband „gleichgeschaltet“, „arisiert“ und in erster Linie auf kriegsbegleitende und -vorsorgende Dienste verpflichtet, verlor der Badische Frauenverein 1934 endgültig seinen eigenständigen Handlungsspielraum. Ende 1937 wurde er zwangsaufgelöst. Es scheint keine ernsthaften Bestrebungen gegeben zu haben, ihn nach dem Ende der Diktatur wieder aufleben zu lassen.

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Ist der Badische Frauenverein ein Erinnerungsort?

Zunächst ist festzuhalten, dass der Badische Frauenverein selbst alles Denkbare unternommen hat, um zu einem Erinnerungsort zu werden. Seine Blätter berichteten unermüdlich von den Jubiläen einzelner Zweigvereine, Unterorganisationen und Einrichtungen. Sich ins Gedächtnis der Öffentlichkeit einzuschreiben, diesem Ziel dienten auch die beiden dicken Jubiläumsschriften zur Geschichte des Badischen Frauenvereins, herausgegeben 1881 und 1906. Sicherlich verfügen nur wenige Vereine über solch ausführliche Darstellungen ihrer Geschichte und Betätigungsfelder, die bereits 22 bzw. 47 Jahre nach ihrer Gründung verfasst wurden. Geschickt nutzte die Vereinsleitung nicht das Gründungsjahr der Organisation, sondern die Silberne und die Goldene Hochzeit des badischen Herrscherpaares, um auf die Vereinstätigkeit aufmerksam zu machen.

„Unter all’ den großen Vereinigungen, welche sich in unserem deutschen Vaterlande der Erfüllung dieses edlen Frauenberufes mit voller Hingebung gewidmet haben, nimmt der Badische Frauenverein eine hervorragende Stellung ein vermöge seiner reichen Gliederung, die ihm gestattet, in allen Lebensgebieten, wo Frauenthätigkeit helfend einzutreten vermag, seine vereinten Kräfte dem gemeinen Wohle darzubieten“, so das Vorwort der Jubiläumsschrift von 1881. „Das Feld der Thätigkeit des Vereins hat so allmählig einen Umfang gewonnen, wie wir ihn kaum bei einem andern ähnlichen Vereine finden. […] Sollte es […] nicht doch von einem höheren, einem idealen Gesichtspunkte aus als eine dankenswerthe Aufgabe zu betrachten sein, in einem zusammenfassenden Bilde zu zeigen, wie aus kleinen grundlegenden Anfängen sich unter treuer Obhut in rastloser Arbeit vieler fleißiger Hände allmählig ein Bau herausgebildet hat, in dessen weiten Räumen die werkthätige Nächstenliebe nach den verschiedensten Richtungen eine sorgsame Pflege findet?“

Und im Vorwort zum zweiten Jubiläumsband von 1906 ist zu lesen: „Möge dieses Werk, an dem alle Kreise unseres Vereins fleißig mitgearbeitet haben, von der hohen Fürstin an ihrem Jubeltage als ein Denkmal der Liebe und Verehrung derer gnädig entgegengenommen werden, denen es vergönnt war, sich an ihren Werken zu beteiligen und möge es den nachkommenden Generationen als ein freundlicher Führer dienen, um sich auf den viel verschlungenen Pfaden der Einrichtung und Thätigkeit unseres Vereins zurecht zu finden und das Bild der ‚großen Samariterin‘ lebendig erhalten für alle Zukunft.“

Gedenken und Vergessen

Auch die runden Geburtstage, so der 25. im Jahr 1884, nutzte der Verein, um seine Geschichte und Tätigkeit gebührend zu feiern und das landesweite Netzwerk im gemeinsamen Erinnern zu stärken. Doch auch bei diesen Feiern stand die Landesmutter im Mittelpunkt. Das Bestreben, die Vereinsentwicklung eng an die Landesfürstin zu binden, hatte den Verein groß gemacht. Es war nur folgerichtig, auch die selbstgestiftete Erinnerungspflege mit dem Geschick der Großherzogin zu verknüpfen. Doch diese Strategie sollte sich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und der Gründung der Republik in ihr Gegenteil verkehren. Zwar gab es auch im September 1919, anlässlich der Landesversammlung, eine „einfache Feier“ des 60-jährigen Jubiläums, doch die frühere Landesmutter Großherzogin Luise nahm nicht teil. Der Verein erschien nun buchstäblich kopflos.

In seiner breiten sozialpolitischen Aufstellung unter dem Dach des Roten Kreuzes nur notdürftig beheimatet, verlor der Badische Frauenverein als landesweit operierende eigenständige Organisation rasch an öffentlicher Aufmerksamkeit. Wie ein letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Niedergang wirken dann auch die Bemühungen der Organisation, ihr 70-jähriges Jubiläum 1930, ein Jahr verspätet, in Karlsruhe getrennt von der Landesversammlung der Zweigvereine feierlich zu begehen. In den Kommunen verhinderte die Übernahme von vielen seiner Institutionen in öffentliche Trägerschaft die Pflege einer Erinnerungskultur, die diese Einrichtungen dezidiert als Gründungen und Errungenschaften einer bürgerlichen staats- und monarchienahen breiten Frauenorganisation kenntlich machte. Wusste um 1919 zweifellos jede Einwohnerin Badens, was es mit dem Badischen Frauenverein auf sich hatte, so dürfte 20 Jahre später dieses Wissen bei jungen Frauen nur noch vage vorhanden gewesen sein.

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Eine Neubelebung des Gedenkens nach dem Zweiten Weltkrieg?

Nach dem Zweiten Weltkrieg schien die Erinnerung an den Badischen Frauenverein endgültig verschüttet. Erst die Frauen- und Geschlechtergeschichte im Gefolge der Zweiten Frauenbewegung der 1980er-Jahre entdeckte den Verein nun als geschichtliches Forschungsobjekt. Ob die wissenschaftliche Geschichtsschreibung tatsächlich dazu beitragen kann, das Erinnern an den Badischen Frauenverein neu zu beleben, wird die Zukunft zeigen. Und so verweisen derzeit lediglich heterogene rudimentäre Spuren im lokalen Raum auf seine verblassende Geschichte. In Mannheim beispielsweise erinnert in C 7, 1–4 eine Tafel an das hier ehemals ansässige Amt für Lastenausgleich, das 1903 als Wöchnerinnenasyl „Luisenheim“ eingeweiht worden war: eine Vorzeigeinstitution der Mannheimer bürgerlichen Frauenbewegung. Der Badische Frauenverein als Dachorganisation der Institution bleibt ungenannt.

Typisch für die Entwicklung von Zweigvereinen des Badischen Frauenvereins im ländlichen Raum und die mit diesen verbundene Erinnerung mag die Geschichte des Frauenvereins der katholischen Gemeinde St. Verena in Dettingen (Bodensee) sein. 1908 vergleichsweise spät gegründet, widmete sich der kleine Verein der Förderung hauswirtschaftlicher Kenntnisse und der häuslichen Krankenpflege. Im Ersten Weltkrieg führten die Mitgliedsdamen Sammlungen für verwundete Soldaten durch. 1920 jedoch, nach dem Untergang der Monarchie, kündigte die Frauengemeinschaft St. Verena ihre Mitgliedschaft im Badischen Frauenverein und trat dem örtlichen christlichen Mütterverein bei. „Damit enden die Aufzeichnungen bis zur Neugründung am 25. März 1957.“ Heute vergewissert sich die Frauengemeinschaft St. Verena auf einer Internetseite ihrer historischen Wurzeln.

Von Traditionsbrüchen auch materieller Art zeugt beispielsweise die Geschichte des Frauenvereins Rheinfelden. 1902 gegründet, entwickelte der Zweigverein rasch ein vielfältiges Arbeitsprogramm. Das von ihm betriebene Solbad „verkaufte“ das „gleichgeschaltete“ Deutsche Rote Kreuz 1938 nach der Auflösung des Badischen Frauenvereins an die NSVolkswohlfahrt. Ein kurzer Versuch im Jahr 1951, den lokalen Frauenverein neu zu beleben, endete mit seiner endgültigen Auflösung zwei Jahre später. Als Rechtsnachfolger des Frauenvereins erstritt sich der Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes 1956 eine Entschädigung für die Enteignung der Liegenschaften „Solbad“. Sie bildete eine Grundlage für eigene Immobilienkäufe. Ob vor Ort die Erinnerung an den Badischen Frauenverein als ehemaligen Träger des Solbads gepflegt wird, ist nicht bekannt.

Traditionsbewusstes Gedenken

Aber auch Beispiele traditionsbewussten Gedenkens sind belegbar. So ist auf der Internetseite des Frauenvereins Neustadt zu lesen: Seit seiner Gründung (erste Anfänge mit Großherzogin Luise) im Jahre 1876 sieht der Frauenverein Neustadt e. V. seine Aufgabe darin, sich sozial zu engagieren. 1878 verwirklichte er dieses Anliegen in der Gründung und Führung einer Kinderbewahranstalt, des Weiteren in einer Koch- und Nähschule, der Ausbildung von Krankenschwestern sowie Prüfungen und Ehrungen von Dienstboten. In Kriegszeiten trug er durch Hilfeleistung zur Linderung von Not bei. […] In Anknüpfung an die traditionellen Ziele sieht der Frauenverein heute seine Aufgabe darin, im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich tätig zu sein.“

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Überblick: Erinnerungsorte in Baden-Württemberg

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